Hugo Krechan Santiago II
Kontakt : Hugo Krechan Tholeyerstr.  30 Tel.: 3998

image002.gif (7224 Byte)image004.jpg (23134 Byte)

VORBEMERKUNG:

Die Fahrt nach Santiago de Compostela mit Werner Lauer im Jahr 1998 hatte trotz des großen Erlebnisses doch einige Wünsche unerfüllt gelassen. Ich glaube, das wird immer so sein, nichts ist vollkommen. Und so könnte ich noch mehrmals die gleiche Reise unternehmen, es würden wohl immer nicht erfüllte Sehnsüchte bleiben. Schon während der damaligen Hinfahrt wurde jedem von uns bewusst, dass man die Fahrt wiederholen könnte, und wir haben davon gesprochen, dass wohl das Pilgern zu Fuß das Höchste sei. Auch in dieser Hinsicht machten wir Pläne. Doch ich für meinen Teil musste diese wieder gleich verwerfen, hatte ich beim Gehen immer noch Beschwerden im rechten Knie. Während des Radfahrens merkte ich nichts davon. Ich habe schon mehrfach betont, dass ich solche Touren gerne alleine mache.Und so reifte in mir der Entschluss, nun mal allein nach Santiago zu pilgern. Diesmal wollte ich aber durch Frankreich eine andere Route nehmen. Zunächst dachte ich mir, etwa über Nancy - Dijon - Lyon - Aries - Sete - Carcassonne - Lourdes - über den Somportpass nach Jacca in Spanien und von dort aus wie im Vorjahr den "Französischen Weg" zu fahren. Die Vorbereitungen hierzu liefen bereits im September 98 an. Dabei kamen mir auch noch andere Fahrmöglichkeiten in den Sinn, etwa über Straßburg - Le Puy. Doch hier schien mir der Weg durch die Hochvogesen und das Zentralmassiv für mein Alter doch etwas zu beschwerlich. Auch Aries ließ ich später aus meinem Plan, denn hier verspürte ich den großen Wunsch, dann auch noch durch die Camarque bis Ste. Maries de la Mer zu fahren, wohin ich doch viele Erinnerungen an den Besuch mit meiner Frau Lenje im Jahr 1991 hatte. Schließlich legte ich mich dann auf die endgültige Route fest, die wie folgt aussah: Alsweiler - Saarbrücken - Sarrebourg - Baccarat - Epinal - Vesoul - Dole -Beaune - Lyon - Avignon - Nimes - Sete - Bezieres - Carcassonne - Lourdes - Somport-Pass - Jacca - Puente la Reina und dann weiter auf dem Französischen Weg, kurz auch Camino genannt. Bei den Vorbereitungen machte ich mir auch Gedanken über dir möglichen Übernachtungen. Die gehen in Frankreich erstens ins Geld und zweitens wollte ich als Pilger nicht unbedingt in besseren Hotels wohnen. Im Jahre 1998 war ich bei einer Werbeaktion dem Deutschen Jugendherbergswerk beigetreten mit dem Ziel, bei meinen Fahrten gelegentlich auch mal in einer Jugendherberge zu übernachten, sofern sich das mit den Etappen in Einklang bringen ließ. Einen ersten Vorgeschmack hiervon erhielt ich im August 98, als ich von zu Hause aus nach Füssen führ und dabei in Worms und in Walldürn/Odenw. in den dortigen Herbergen nächtigen konnte. Das hat mir gut gefallen. Bei den Übernachtungen in Frankreich kommt hinzu, dass die Preise für Einbett- und Zweibettzimmer gleich sind. Da war mit Werner in 98 das Problem nicht so groß, die Kosten teilten wir uns und das war dann erträglich. Ich besorgte mir also ein Verzeichnis der französischen Jugendherbergen und merkte die an meiner Route liegenden in meinen Unterlagen an. Als Zeitpunkt der Abfahrt hatte ich den 16.April 99 festgelegt, damit ich am 23.Mai, dem Sterbetag meiner Frau, wieder zu Hause sein konnte. Eine Abfahrt nach diesem Termin kam wegen den Vorbereitungen zu meinem 70. Geburtstag im Juli nicht mehr in Frage. Herrn Pastor Renner hatte ich wieder um den Pilgersegen gebeten. Mit dem Termin hierzu gab es ein paar Schwierigkeiten. Erst kurz vor der Abendmesse am Vortag der Abfahrt erhielt ich die Zusage, daß es nach der Messe möglich sei. So konnte ich wegen der Kürze keine Angehörigen mehr mitbringen.Schließlich waren aber meine beiden Cousinen Adelheid und Thea, Besucher der Abendmesse, anwesend. Der Lektor Herbert Lauer stellte sich als Fotograf zur Verfügung.

1.Tag, Freitag, 16.4.1999 Alsweiler - Blamont

Heute geht's also los. Bereits gegen 5.00 Uhr stehe ich auf, der erste Blick gilt dem Wetter, das sieht nicht gut aus. Dicke, graue Wolken bedecken den Himmel, als wollte es jeden Augenblick anfangen zu regnen. Ich gehe mal vor die Tür, es ist empfindlich kalt. Mein Gepäck vervollständige ich mit einer langen Unterhose und ziehe sie sofort an. Jedoch bei Regen werde ich nicht abfahren, wenn es sein muß, verschiebe ich das Ganze um einen Tag oder länger. Doch zunächst läuft alles nach Plan weiter. Das Fahrrad wird beladen, soweit ist alles fertig. Kurz nach 7.00 Uhr kommen Thomas, Mechthild und Kevin zum Frühstück. Von meinen Befürchtungen bezüglich des Wetters sage ich nichts. Es sieht schließlich dann doch so aus, daß es halten könne, aber im April weiß man das ohnehin nie. So Gegen 7.50 Uhr ist es dann soweit, ich fahre in Richtung Marpingen los. Bei den herrschenden Temperaturen mußte ich mich gut einpacken. Über die lange Unterhose habe ich Beinlinge angezogen und Ärmlinge an den Armen. Über dem Radlertrikot habe ich die schwarz-gelbe Gore-Tex Jacke. Doch schon hinter Dirmingen, etwa bei Km 10, kratzt es mich im Hals, so dass ich öfter husten muss. Das geht ja gut los. In der Fußgänger-zone in Illingen hat schon eine Apotheke geöffnet, so dass ich mir als erstes ein Mittel gegen den lästigen Husten kaufe. Es hat geholfen. Von Merchweiler aus fahre ich hinab ins Fischbachtal, über Quierschied nach Saarbrücken. Eine für unsere Gegend etwas ungewöhnliche Route, doch das hängt mit dem Streckenprofil zusammen. Ich meine, hier fährt es sich insgesamt etwas leichter. Über die Saaruferpromenade und den Treidelpfad geht es dann zuerst rechts und dann links der Saar nach Saargemünd. Wie im Vorjahr mache ich hier am Ufer meine Mittagspause. Für den ersten Tag habe ich genügend Proviant im Gepäck. Die weitere Strecke ist für mich mit dem Fahrrad neu. Über Herbitzheim und Sarre-Union komme ich nach Fenetrange, wo ich eine weitere Pause mache. In einer Bar trinke ich einen Kaffee au Lait und esse ein Croissant. Das Wetter hält, die Wolken werden etwas lichter, aber es ist immer noch empfindlich kühl. Zeitweise habe ich mit Gegenwind zu tun, bei dem es sich ja bekanntlich überhaupt nicht gut fährt. Doch insgesamt muß ich zufrieden sein, es hätte schlimmer kommen können. Bis Sarrebourg kann ich überwiegend durchs Saartal fahren. Mehrmals komme ich am Fluss vorbei. Ab Saargemünd befinde ich mich in Lothringen, genauer, im Departement Meurthe et Moselle. Links vor mir sehe ich die Vogesen. Die Gipfel sind mit Schnee bedeckt, offensichtlich von den Niederschlägen der letzten Tage. Daher auch die niedrigen Temperaturen. Nach der Karte müßte es sich um das Gebiet um den Donon handeln

image008.jpg (29638 Byte)

. An einer Dorfstraße in Lothringen

In Sarrebourg halte ich mich nicht lange auf. Da fahre ich gerade mal durch das mir bekannte Zentrum und dann geht's weiter. Bis Blamont muß ich nun die N 4 benutzen. Die ist relativ stark befahren, auch von Lkws. Dabei ist mir noch ein gewaltiger Schreck in die Glieder gefahren. In eine langgezogen Linkskurve kam mir in schneller Fahrt ein großer Lkw entgegen, als es plötzlich einen heftigen Knall gab, verbunden mit einem lauten Zischen. Das Fahrzeug schlingerte auf meine Fahrbahn zu. Offensichtlich war einer der drei linken Hinterreifen geplatzt. Doch es ging alles glimpflich vorbei. Aber der Puls schlägt schon mal höher. Die Straße hat nun öfters Steigungen, die mich schon mal körperlich fordern, zumal ich auch nun schon über 100 Km zurückgelegt habe. So ist es auch zu verstehen, dass ich erst gegen 19.00 Uhr im Blamont ankomme. Das kleine Städtchen war mein heimliches Ziel für die erste Etappe. Ich hatte gehofft etwas Auswahl bei der Zimmersuche zu haben. Aber es gab nur ein Hotel am Platze, die Hostellerie du Chateau, und das hatte zwei Sterne. Doch das war mir nun egal, obwohl das Zimmer 280 Fr kostete, das Frühstück noch 25 Fr zusätzlich. Das sind immerhin über 100.-DM . Das Zimmer war in Ordnung, mit Dusche, WC und einem Fernseher. Überhaupt war das ganze Haus sehr gepflegt. Die Preise im Restaurant waren wie die des Hotels, ziemlich hoch. Bei der Fahrt durch die Stadt hatte ich eine Pizzeria gesehen. Dort gehe ich hin zum Abendessen. Es sind ein paar junge Leute als Gäste da. Die Besitzer sind Italiener, und die haben bekanntlich gute Pizzen. Dazu trank ich 1/4 l Rotwein, wofür ich zusammen etwa 60 Fr = 20.-DM bezahlte. Als ich danach noch nach zu Hause telefonieren konnte, war ich mit dem ersten Tag meiner Reise doch sehr zufrieden. Auch die Fahrleistung konnte sich sehen lassen. Es sind immerhin 142 Km geworden. Dafür habe ich rund 9 Stunden Fahrzeit mit einem Durchschnitt von 15,72 Km/h gebraucht.

2. Tag, Samstag, 17.4.1999

Blamont - Plombiers les Bains

Das Frühstück im Hotel lässt etwas auf sich warten, derweil belade ich das Fahrrad. Zum Wetter wäre zu sagen, dass es wesentlich besser aussieht als gestern, leicht bewölkt, trocken, aber es ist immer noch recht kalt. Nach einem für französischen Verhältnissen guten Frühstück, kann ich gegen 8.15 Uhr abfahren. Das Gelände ist wellig und es gibt wieder ein paar steilere Anstiege. Aber es ist eine schöne Gegend, größere Waldgebiete mit hohem Eichen- und Buchenbestand. Bäume und Sträucher haben schon ausgetrieben. Wie im Vorjahr blühen auch schon die Schlüsselblumen, das Wiesenschaumkraut, Veilchen, Löwenzahn und Sumpfdotterblumen, oft ein buntes Bild, der Frühling naht. Ansonsten hat man von den Höhen einen schönen Blick übers weite Land mit seinen wohlbestallten Feldern. Wie es scheint, ein fruchtbares Land. Es ist gerade mal 10.00 Uhr, als ich nach Baccarat komme. Die Stadt ist bekannt durch ihre Kristallwarenverarbeitung. Sie liegt nur etwa 3 Km von unserer französischen Partnergemeinde Betrichamps entfernt. Früher kannte ich durch die Alsweiler Handballfeste einige Leute von dort. Doch die meisten sind inzwischen verstorben. Und heute, am Samstag, war ja auch das Gemeindebüro nicht geöffnet, so dass ich wenig Sinn in einem Besuch sah. Ich fuhr also in Baccarat langsam durch die Stadt und sah mir hauptsächlich den Ortskern an, der mir ohnehin nicht ganz fremd war. Hier im Zentrum trank ich an einem Imbissladen einen Cappucino. Der Fluss, den ich anschließend in Richtung Epinal überquerte, ist die Meurthe. Am Ende der Stadt geht es ziemlich steil bergan. Fast oben beginnt dann das Departement Vosges, die nächste Stadt ist Rambervillers. Das ist eine Kleinstadt, in der es ein paar sehenswerte Punkte gibt, z.B. das Rathaus und die Kirche. Hier hatte ich auch ein Erlebnis, auf den ersten Blick unbedeutend, doch ich möchte es dennoch erwähnen, weil es ein Zeichen ist, wie man völkerverbindend handeln kann. Also, während der Fahrt habe ich meinen Fotoapparat umhängen. Damit er nicht hin und her schwingt, halte ich ihn mit einem Gummiband auf dem Bauch fest. Und gerade dieses Band, ein breiter, schwarzer Durchziehgummi, hatte ich zu Hause vergessen. Ich quälte mich schon seit gestern damit herum. Nun wollte ich mir hier etwas besorgen. So betrat ich ein Konfektionsgeschäft in der Hoffnung, dass man Kurzwaren habe. Doch der Verkäufer, der Chef selbst, bedauerte. Aber er wusste Rat. Er lud mich kurzerhand in seinen Pkw und ehe ich begriffen hatte um was es geht, fuhr er mich durch die Stadt zu einem solchen Laden, wo ich meine Besorgung erledigen konnte. Dann fuhr er mich wieder zu seinem Geschäft zurück, wo mein Fahrrad stand. Unterwegs hatte ich ihm mehr über meine Reise erzählt. Stolz gab er diese Information an seine Frau und die Angestellten weiter. Da musste ich noch weitere Fragen in Bezug auf die Fahrt beantworten. Mit vielem Dank für die Hilfe verabschiedete ich mich schließlich. War das nicht doch ein schönes Erlebnis? Schon seit meiner Abfahrt in Baccarat war das Wetter immer besser geworden, schließlich war der Himmel strahlend blau, nur in den Vogesen hingen noch ein paar dicke Wolken. Mit dem Wetter hob sich auch meine Stimmung, ich war richtig happy. Unwillkürlich fielen mir die Worte des österreichischen Sportreporters Edi Finger ein, als der beim Sieg der Österreicher über die deutsche Fußballnationalelf in Cordoba ausrief: "I werd' narrisch". Nun, so dachte ich, kommt endlich der Frühling mit schönem Wetter. Dass dies aber ein Trugschluss war, musste ich später erkennen. In einem Waldstück bei Padoux machte ich dann eine längere Pause, denn zunächst bedurfte es einer Stärkung, also essen und trinken. Hinter einem Busch entledigte ich mich auch der langen Unterhose, denn die war nun absolut nicht mehr nötig.

image010.jpg (44341 Byte)

Rast bei Padoux

Schließlich, und nicht zuletzt, war hier eine gute Gelegenheit, die mir bei der Pilgerfahrt selbst auferlegte tägliche Meditation vorzunehmen. Das ist bei den meisten Pilgern eine Selbstverständlichkeit, über die man jedoch nicht viel Aufhebens machen sollte. Ich werde dies künftig auch nicht mehr in den täglichen Berichten ansprechen. An der Einfahrt von Epinal werde ich durch Hinweisschilder auf einen Fahrradweg geleitet, der mich jedoch nicht durchs Stadtzentrum führt. Ich kam zur Mosel, an deren rechten Ufer ich dann weiterfuhr. Über eine kleine Straße (D 42) ging's dann bis Archettes. Das war richtig idyllisch, wenig Verkehr, der Fluß, die schöne Landschaft. Bei Archettes wechselte ich auf die linke Seite der Mosel, wo ich bis Remiremont weiterfuhr. Hier hatte ich eigentlich einen längeren Aufenthalt geplant, ohne jedoch gewisse Schwierigkeiten zu bedenken. Bei meinen Vorbereitungen zur Fahrt stützte ich mich u.a. auf einen Michelinatlas 1:200000 und einen Badecker Reiseführer "Frankreich". In letzterem ist Remiremont als sehenswert aufgeführt. Nachdem ich mich etwas in der Stadt mit den schönen Arkaden in der Hauptstraße, einem Platz mit einem Brunnen und vielen jungen Leuten in den Straßenlokalen umgeschaut hatte, fand ich keinen Weg mehr in Richtung Plombieres les Bains. Mehrmals landete ich an der vierspurigen Autostraße, die aber für Fahrräder gesperrt war. Schließlich fand ich am Stadtplatz einen jungen ortskundigen Mann, der mir weiterhelfen konnte, und zwar auf einen Weg, der neben der Autostraße steil bergauf führte. Hier ging es zur Wasserscheide zwischen Mosel und dem großen Einzugsgebiet der Saone. Man könnte auch sagen, zwischen Nordsee und dem Mittelmeer. Oben auf der Höhe war auch die große Straße für Radfahrer wieder frei. Das ganze hatte mich sehr nervös gemacht, vor lauter Hektik war ich nicht zu einer weiteren Pause gekommen. Die holte ich dann auf der Höhe in einer Bar des kleinen Örtchens Demoiselle nach. Von hier war es auch nicht mehr weit bis Plombieres les Bains, meinem heutigen Etappenziel. Dies ist ein kleiner Kurort im Tal der Augronne, umgeben von recht ansehnlichen Bergen mit viel Wald. Als ich jedoch hier die vielen feudalen Hotels sah, dachte ich, hier kannst du nicht bleiben. Doch am Stadtrand entdeckte ich das Hotel 'la Montagne' mit einer schon etwas älteren Bausubstanz. Ich fragte nach einem Zimmer und dem Preis. Es war noch was frei für 155 Fr + 23 Fr. fürs Frühstück. Das war annehmbar, fast nur die Hälfte von Blamont. Ich mache mich frisch und fahre wieder in die Stadt zurück in der Hoffnung, eine Vorabendmesse mitzubekommen. Aber dem war nicht so, die einzige Messe war am nächsten Tag, dem Sonntag, um 11.00 Uhr. So sah ich mich noch etwas in der Stadt um und fuhr dann ins Hotel zurück. Das schöne Wetter vom Mittag war schon wieder vorbei. Es war wieder stark bewölkt und recht kühl geworden. Das Abendessen konnte ich im Hotel einnehmen. Die Wirtin war sehr freundlich und aufmerksam. Ich bestellte ein Steak mit Pommes frites und Salat. Das war nicht so teuer, 40 Fr. Dazu trank ich einen Burgunder Rotwein. Da kostete der Viertelliter allerdings 18 Fr. Die heutige Km-Leistung betrug 112 Km in 7,19 Stunden = Durchschnitt 15,30 Km/h. Gesamtkilometer = 254

3. Tag, Sonntag, 18. April 1999

Plombieres les Bains - Vesoul

Das Frühstück ist erst gegen 8.00 Uhr vorgesehen. Also etwas mehr Zeit zum ausschlafen. Doch welcher Schreck, als ich kurz vor 7.00 Uhr die Klappläden öffne. Es regnet in Strömen. Dennoch mache ich mich fertig und packe meine Sachen. Dann, vor 8.00 Uhr , geht der Regen in Schnee über. Es fallen richtig dicke Flocken vom Himmel. Im Nu ist alles mit Schnee bedeckt und es sieht aus, als wolle es nicht mehr aufhören. Es zeigt sich mal wieder, dass man nicht so euphorisch reagieren soll, wie ich z.B. gestern, als es den ersten Anflug von schönem Wetter gab. Heute ist es genau umgekehrt, ein Wechselbad der Gefühle also. Bedrückt schleiche ich mich zum Frühstück. Die Wirtin hat auch nicht viel Worte, um mich aufzumuntern. Das Frühstück ist echt französisch, d.h. auf gut deutsch 'mickrig'. Die Gesamtrechnung, Abendessen, Übernachtung, Frühstück, beträgt 242 Fr. An eine Abfahrt ist nicht zu denken, warten ist angesagt. Der Wirtin habe ich das angedeutet, ggfls werde ich hier bleiben und eine weitere Übernachtung in Kauf nehmen. Trotz allem mache ich mich aber reisefertig. Ich belade mein Rad und decke die Taschen mit dem Regenschutz ab. Mich selbst habe ich ebenfalls gut eingepackt, die lange Unterhose gehört heute wieder dazu. Nach neun Uhr kommen die ersten Gäste ins Lokal, ältere Männer aus dem Ort, die Kaffee trinken und hin und wieder mal einen Schnaps. Sie interessieren sich für meine Reise und meinen, daß sich das Wetter wohl noch bessern werde. Ich trinke auch noch einen Armagnac und mache außen ein Foto von der Bescherung. image012.jpg (32299 Byte)Langsam geht der Schnee wieder in Regen über und hört nach einer Weile auf. Erleichtert, aber überhaupt nicht zufrieden fahre ich gegen 10.00 Uhr im Regenumhang los. Die Straße führt an dem Flüsschen Augronne ab-wärts ins Tal nach St. Loup. Auf dem Teerbelag ist der Schnee schon weggeschmolzen. Nun-mehr befinde ich mich im Departement Haute-Saone. Noch vor St. Loup gibt es eine gefährliche Situation, die hätte schlimm aus-gehen können. In einer langgezogenen Kurve über-holt mich ein Fahrzeug, etwa wie ein VW-Bus. Dessen Dach ist noch mit Schnee voll beladen, der etwa 50 Meter vor mir auf die Fahrbahn abrutscht. Nur mit Mühe kann ich an dem Hindernis vorbei-steuern. Nicht auszudenken, wenn die Schneelast mich bei der Fahrt voll getroffen hätte. In St. Loup sind die Lebensmittelläden geöffnet und ich kann meine Vorräte an Esswaren ergänzen. Eine Messe kann ich aber auch hier nicht mehr bekommen, sie war schon um acht Uhr gewesen. Alles zu Unzeiten, ich kann es nicht ändern. Dagegen dringt Lärm aus einer Bar, hier ist also geöffnet. Da gehe ich rein, es ist eine Menge Betrieb, offensichtlich eine Lottoannahmestelle. An einem Tisch ist noch ein Platz frei, wo ich mich hinsetze. Ich bestelle mir einen Cappuccino und ein Croissant. Aber davon war gerade das letzte über die Theke gegangen, schade. Mein Tischnachbar suchte das Gespräch und wollte mehr über meine Tour wissen. So gut es ging, gab ich Auskunft. Nach St. Loup kann ich ohne Poncho weiterfahren. Die Wolken werden lichter, es scheint, daß es nicht mehr viel Regen geben wird. Aber ich habe heute keinen großen Tatendrang. Die vielen Steigungen fallen mir regelrecht schwer. Obwohl es noch früh am Nachmittag ist, spiele ich mit dem Gedanken, heute nur bis Vesoul zu fahren. Dabei fallen mir eine Menge Rechtfertigungsgründe ein , z.B. könnte ich erstmals die Gelegenheit nutzen und die dortige Jugendherberge testen, zudem sei ja auch heute Sonntag. So überzeugte ich mich schließlich selbst. Als es dann auch wieder zu regnen begann und ich mich zweimal unterstellen musste, waren die Würfel endgültig gefallen. Gegen 15.00 Uhr bin ich in Vesoul. Die Stadt ist um diese Zeit fast menschenleer. Doch ich brauche niemand nach dem Weg zu fragen. In meiner Karte ist die Lage der Herberge eingezeichnet, so daß sie leicht zu finden ist. Jahreszeitlich gesehen ist die 'Auberge de Jeunesse' überhaupt noch nicht von der Verwaltung besetzt. Die Belegung erfolgt z.Zt. noch durch die Zentrale des nahen Campingplatzes. Das ganze ist ohnehin ein mehr oder weniger zusammenhängendes Freizeitzentrum mit einem See. Die Aufsicht bringt mich in einem Chalet mit vier Betten unter. Das kostet 49 Fr., das ist mir recht, zumal ich allein in dem kleinen Holzhaus bin. Da war auch eine el. Heizung drin, so konnte ich gut meine feuchten Sachen trocknen. Für das Fahrrad war auch noch Platz. Duschen konnte ich in der großen Gemeinschaftsanlage, wo z.Zt. kaum Gäste waren. Im nahen Restaurant trank ich ein Bier und wollte etwas essen, aber dazu war es noch zu früh. So verpflegte ich mich schließlich selbst in meinem Häuschen. Das Ganze fand ich nicht schlecht. Die Anlage heißt 'Lac de Vaivre' Heute habe ich nur 57 Kilometer gefahren, dabei saß ich 3,42 Std. im Sattel, etwas wenig. Der Durchschnitt betrug 15,41 Km/h. Gesamt-Km = 310

4. Tag, Montag, 19. April 1999

Vesoul - Dole

Gut dass es eine Heizung in meiner Komfortwohnung gab. Das war richtig gemütlich in dem Häuschen als ich aufstand. Doch es regnete schon wieder. Schnell flitzte ich zum Waschraum. Zunächst hieß es auch heute, richtig anziehen, denn kalt war es auch wieder. Mein Frühstück machte ich mir selbst. Eine Kochgelegenheit mit zwei Platten war nämlich auch vorhanden. Außer Wurst und Käse hatte ich noch Butter und etwas Marmelade dabei, Kaffee, Milch und Zucker ohnehin. Dann hörte es mit einem Schlag auf zu regnen und ich konnte gegen 8.30 Uhr losfahren. Direkt hinter Vesoul war wieder ein steiler Anstieg mit zwei Fahrspuren bergauf. Hier war mächtig viel Verkehr, denn die Straße nach Besancon, die N 57, führte zusätzlich über diese Route. Die langsamen Lkw fahren natürlich alle auf meiner Spur und bringen mich einige Male in heikle Situationen, indem sie mich an den Rand der Fahrbahn drängen. Nach gut 2 Km zweigt dann die Straße nach Besancon ab und für mich wird es besser. Gut dass ich mich entsprechend angezogen habe. Der Wind weht nun kräftig und eisig, natürlich von vorn. Dazu kommen immer wieder giftige Anstiege, es fährt sich nicht gut. In Fretigny mache ich Halt wegen eines drohenden Schauers. Den wollte ich nicht auf der freien Strecke erleben. Ich nutzte die Zeit zu Einkaufen. Dabei hat mich die Bäckersfrau, eine sehr unfreundliche Person, etwas genervt. Ich hätte ja mein Flites mit den anderen Esswaren im Lebensmittelmarkt nebenan kaufen können, aber ich wollte dem Bäcker auch was zukommen lassen. Als ich die Frau mit ihrem mürrischen Gesicht bat, mir das Brot zweimal durchzuschneiden , damit ich es besser verstauen könne, war das offensichtlich etwas zu viel verlangt. Sie tat es dennoch, knallt mir aber die Stücke förmlich auf die Theke. Dass ich dann auch noch eine Tüte haben wollte, war wohl der Gipfel. Ich hatte bisher noch nie Probleme mit den Leuten, dies war ein absolutes Negativerlebnis. Die Gegend ist trotz der hohen Lage, von der Landwirtschaft geprägt. Überwiegend wird jedoch die Viehzucht betrieben, aber auch Saat- und Rapsfelder sind zu sehen. Der Raps braucht noch ein paar Tage bis zur Blüte. Gegen Mittag komme ich in das Städtchen Gy, ein idyllischer Ort mit überwiegend alten Häusern, einer Kirche und einem Schloß. Das Schloß stammt in seinen Anfängen aus dem 12. Jahrhundert. Es ist allerdings nur von außen zu besichtigen, ganz nett.

image014.jpg (27617 Byte)

Im Städchen Gy

Das Wetter hat sich mittlerweile sehr gebessert. Es ist regelrecht heiter geworden , blauer Himmel, weiße Wolken, Sonne, aber die Temperatur beträgt nur etwa 8 bis 10 Grad Celsius. Nun meldet sich auch der Magen, so dass ich am Ortsende von Gy, an der windgeschützten Seite eines Bauernhofes Mittagspicknick mache. Eine weitere Pause legen ich in Pesmes ein, wo ich in einer Bar einen Cappuccino trinke. Um in den weiteren Genuß einer Übernachtung in einer Jugendherberge zu kommen, mache ich einen kleinen Umweg bis Dole im Departement Jura. Gegen 17.00 war ich dort. Die Herberge befindet sich etwas außerhalb der Stadt in einem großen Jugendzentrum für Studenten und Lehrlinge. Daneben steht eine sehr moderne Kirche. Bevor die Unterkunft perfekt ist, muß man mehrere Stellen anlaufen. Aber überall wird man freundlich behandelt, so dass die Lauferei einem nicht zu viel wird. Ich bekomme ein Zweibettzimmer für mich allein, zahle allerdings etwas mehr als in Vesoul, nämlich 68 Fr, dazu 20 Fr fürs Frühstück. Zum Abendessen fahre ich gleich nach dem Duschen wieder in die Stadt zurück. Hier hatte ich bei der Durchfahrt ein gut besuchtes Lokal gesehen, wo es preiswerte Nudelgerichte gab. Aber es war schon um 18.00 Uhr geschlossen, es wird nur tagsüber Essen ausgegeben. So suchte ich in der Altstadt ein anderes Restaurant auf. Hier aß ich eine große Portion Pommes frites mit 3 Würstchen und einen ansehnlichen Teller Salat. Das hat 30 Fr gekostet plus 20 Fr für zwei Bier. Da bin ich gut satt geworden. Mit der heutigen Kilometerleistung bin ich noch sehr zufrieden. Es waren immerhin 96 Km. Die Fahrzeit betrug 7,06 Stunden, der Schnitt war 13,6 Km/h

5. Tag, Dienstag, 20. April 1999

Dole - Baudrieres

Mit dem Aufenthalt in der Jugendherberge in Dole war ich sehr zufrieden. Aber nichts ist vollkommen. Am gestrigen Abend hatte mir eine der Aufsichtspersonen empfohlen, mein Fahrrad mit aufs Zimmer zu nehmen, was ich sehr zuvorkommend fand. Zum Packen und zur Toilette hatte ich es heute morgen auf den Flur gestellt. Als ich nach einiger Zeit wieder aus dem Zimmer kam, war das Rad weg. Da ist mir wohl ein Schreck in die Glieder gefahren, mußte ich doch annehmen, dass es evtl. gestohlen worden ist. Hektisch rannte ich über den Flur und befragte hier anwesende Personen. Doch niemand konnte einen Hinweis geben. Als dann die Rezeption besetzt war und ich dort vorsprach, klärte sich die Sache auf. Die Putzfrau, die sich im Hintergrund des Raumes aufgehalten hatte, erklärte, sie habe es in den Keller geschafft, weil es sie behindert habe. Nun, ich war ja froh, dass das Rad wieder da war und verzichtete auf weitere Erklärungen. Danach ging ich dann mit meinem Bon zu Frühstück. Hier wurde ich angenehm überrascht. Zumindest die Menge an Brot, Kaffe, Milch und Marmelade war einmalig. Es gab aber auch noch Müsli, Orangensaft, Obst u.d.gl. Ich konnte einfach nicht alles probieren. Es wurde schließlich 9.00 Uhr, bis ich abfahren konnte. Das Wetter war anfangs sehr gut, aber es wurde später immer mehr bewölkter. Ein großes Stück des Weges, bis Seurre, war es fast eben, dazu hatte ich leichten Rückenwind, was ja nicht oft vorkommt. Bei diesen Verhältnissen ließ es sich sehr gut fahren. Ich befinde mich nun schon in der Region Bourgogne, im Departement Côte d'Or. In Seurre komme ich an die Saone. Die ist hier schon ein großer Fluss. Aber, so denke ich, habe ich nun für lange Zeit keine besonders schwere Steigungen mehr vor mir. Nachdem ich die Saone überquert habe, fahre ich kilometerweit durch einen prächtigen Mischwald. Bald komme ich nach Beaune, wo ich eine längere Pause machen werde. Hier beginnen die ersten Weinfelder, die Heimat des berühmten Burgunder. Das Land scheint sehr fruchtbar zu sein. Mittlerweile sind wieder beängstigend schwarze Wolken aufgezogen. Ich komme gerade noch nach Beaune in die Stadt, als ein kräftiger Schauer niederging und ich mich unterstellen muß. In der Stadt wird viel gebaut, die Orientierung und die Fahrt ist nicht einfach. Auf einem Parkplatz treffe ich zwei ältere Leute aus Saarbrücken, mit denen ich mich eine Weile unterhalte. Sie kennen sich gut aus und geben mir ein paar Tipps. Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist das Hotel Dieu. Das ist ein Hospital aus dem 15. Jahrhundert mit einem prächtigen Innenhof mit Fachwerkbauten ringsum. Die Gebäude sind mit bunten gemusterten Dächern abgedeckt, ein wunderbares Bild. Die Besichtigung kostet 32 Fr, doch das Ganze ist schon sehenswert, wie z.B. die Kapelle mit einem bekannten Altar, die Krankensäle, Küche, Apotheke u.s.w.. Anschließend mache ich noch eine Rundfahrt durch die Altstadt mit Basilika, Rathaus u.s.w.. Die Ausfahrt in Richtung Chalon s. Saone ist nicht die von mir ausgesuchte, sondern die N 74. Das gefällt mir zwar nicht, aber ich werde das ja irgendwann korrigieren können.

image016.jpg (33859 Byte)

Beaune - Hotel Dieu

Bei der Weiterfahrt habe ich nun ein Erlebnis, was ich bisher nicht gekannt hatte. Es ist auch kaum zu glauben. Also, da fahre ich auf eine große Allee los. Schon von weitem höre ich, wie eine Menge Rabenvögel, die sich in den Bäumen und den angrenzenden Weinfeldern aufhalten, ein mächtiges Geschrei veranstalten. Was der Anlass ist, kann ich nicht ergründen, vielleicht meine gelbe Regenjacke??, ich werde es wohl nie erfahren. Jedenfalls, als ich an die ersten Bäume komme, stürzen sich einige Vögel in einem aggressiven Sturzflug auf mich herab und 'verscheißen' mich regelrecht. Mindestens fünf oder sechs 'Volltreffer' konnten sie erzielen. Das ganze erinnerte stark an einen Stukaangriff aus dem Krieg. Ich sah schon ziemlich mitgenommen aus und hielt am Ende der Allee an, um mich zu säubern. Das sah schon wirklich schlimm aus. Bei uns sagt der Volksmund: "Der sieht aus wie ein Steinmetz". Aber auch die Lkw, die hier durchdüsten, bekamen ihren Teil ab, sie mussten ihre Scheibenwaschanlagen in Betrieb setzen. Mich würde es schon mal interessieren, wie die Tiere zu einem solchen Verhalten kommen? Nach einer improvisierten Fahrt durch die Weinfelder gelange ich dann doch zur D 18, auf der ich ursprünglich nach Chalon s. Saone fahren wollte. Das war eine kleine, ruhige Straße, auf der sich gut fahren ließ. In Chalon geriet mein Programm mal wieder aus den Fugen. Es ist einfach schlecht möglich, sich mit dem Fahrrad in größeren Städten ordentlich zurechtzufinden. Jedenfalls hatte ich hier meine Probleme. Nach einigen Falschfahrten gab ich mein Besichtigungsprogramm auf und reihte mich in den Verkehrsstrom Richtung Süden ein. So kam ich dann auch bald in die Vorortzone, wo sich wesentlich besser fahren ließ. Schließlich war ich wieder auf der richtigen Straße, der D 933. Heute hatte ich eigentlich noch wenig pausiert. Hinter Chalon hatte ich schon über 100 Tageskilometer, so dass ich langsam ans aufhören dachte. Aber nun kam eine Reihe kleinerer Orte, wo ich keine Hinweise auf Übernachtungsmöglichkeiten sah. Schließlich erblickte ich ein Schild: "Chambres d' Hôtes" 4 Km. Das war doch schon was. Allerdings musste ich einer kleinen Nebenstraße nachfahren. Und das zog sich unendlich weit, es kamen wieder ein paar Steigungen und es begann auch noch leicht zu regnen. Da wurde ich richtig missmutig. Schließlich war ich in dem kleinen Ort Baudrieres, wo mir ein Hinweisschild sagte: "Hier ist es". Das Haus hieß "La Chaumiere". Es war mittlerweile schon sechs Uhr geworden und ich wollte nicht mehr weiter. Innerlich hatte ich die heutige Fahrt schon abgeschlossen. Nun, das Haus war etwas anders als die anderen, hatte eine ganz persönliche Note. Aber es war niemand da. Als ich mich auf dem weiträumigen Gelände in den Schuppen, Garagen u.dgl. umschaute, erkannte ich, dass hier Künstler oder ähnliche Personen leben. In den nicht abgeschlossenen Räumen befanden sich Staffeleien und Mal-utensilien sowie angefangene Töpferarbeiten. Das war ja alles gut und schön, doch ich brauche jemand, der mir ein Bett für die Nacht bietet. Der Nachbar, ein Bäcker arbeitete in seiner Backstube. Er wollte mir helfen und erklärte, dass das Anwesen einer Frau gehöre, die kurzfristig abwesend sei, ich solle warten. Doch es dauerte. Dann kam der Bäcker wieder und ging mit mir zu verschiedenen Anwesen, wo er die Dame des Hauses zu finden hoffte. Es war vergebens. Die Zeit verrann, ich wurde etwas nervös. Kurz vor acht Uhr kam dann ein Pkw auf den Hof gefahren, das war Madame mit einer Freundin. Ich trug mein Anliegen vor. Ja, ein Zimmer habe sie. Ich ging mit ins Haus. Das war voll mit Antiquitäten und Kunstgegenständen. Das Zimmer war in Ordnung, jedoch der Preis gefiel mir nicht so sehr. 300.-Fr. einschließlich Frühstück solle es kosten mit Dusche und WC, das war happig, aber ich konnte nun nicht mehr weiter. Madame meinte, essen könne ich im Lokal in der Nähe. Doch die hatten nur kalte Speisen im Angebot, die hätte ich auch in meiner Tasche gehabt. Trotzdem ließ ich mich nieder und bestellte eine Schinkenplatte. Dazu trank ich zwei Bier. Eigentlich hätte es ja ein Viertel Burgunder sein müssen, aber ich hatte Durst. Den Burgunder hatte ich übrigens ja schon in Plombieres probiert. Nun, mit dem Essen war ich zufrieden, es hat gut geschmeckt. Am Tresen des Lokals hielten sich ein paar Männer auf. Einer von ihnen sprach mich in deutsch an und erklärte, mir behilflich zu sein. Er war aus München und wohnt hier, Seine Frau ist Französin und stammt aus dem Ort. Sie hätten schon über 20 Jahre in Deutschland gewohnt, als die Frau Heimweh bekommen habe. Nun müsse er wohl den Rest seines Lebens hier verbringen. Aber er komme mit der Mentalität der Leute hier gut zurecht. Die Lebensart der Franzosen sage ihm sehr zu. Heute habe ich 116 Km zurückgelegt. Die Fahrzeit betrug 7,26 Stunden, das ergibt einen Schnitt von 15,62 Km/h. Gesamtkilometer = 520

6. Tag, Mittwoch, 21.April 1999

Baudriéres - Neuville

Madame Vachet hat das Frühstück mit einer großen Kanne Kaffee im Wohnzimmer angerichtet und den Kamin angeheizt. Gestern im Lokal hatte man mir erzählt, dass sie auch mit Antiquitäten handelt, so sieht es auch aus. Offensichtlich ist das ganze Haus auch ihr Laden. Auffallend sind die vielen, in Leder gebundenen großformatigen Bücher. Eines lag offen da und ich konnte draufschauen. Ich glaube, dass es sich bei dem Inhalt um Katasterangaben handelte. Im Gegensatz zu gestern, war Madame heute sehr gesprächig. Sie meinte, ich müßte auf jeden Fall auch über Tournus fahren. Die Stadt liegt nicht allzuweit von hier weg, aber auf der anderen Seite der Saone. Es war ein kleiner Umweg für mich. Aber ich ließ mich überreden. Sie brachte mir einige Prospekte aus der Gegend, auch in deutsch. Um 8.15 Uhr fahre ich in Baudrieres ab, wo ich ein nicht alltägliches Quartier gehabt habe. Anfangs regnet es leicht und ich muß den Regenumhang anziehen. Über Nebenstraßen fahre ich hinab zur Saone. Es fällt mir auf, dass in den Büschen und Weidezäunen in gut ein Meter Höhe eine Menge Gras hängt, das offensichtlich von einem Hochwasser herrührt. Ich stelle mir vor, welche Fläche das Wasser bedeckt haben muß. Über den Tipp von Madame war ich schließlich sehr zufrieden. Es hat sich gelohnt hierher zu fahren. Als erstes fahre ich zur der romanischen Kirche, die ich auch innen besichtige. Das Rad sperre ich derweil auf dem Vorplatz ab. Um den kleinen Marktplatz stehen alte malerische Häuser, ein Turm u.s.w. Ich kaufe noch ein paar Lebensmittel und trinke einen Kaffee zu aufwärmen. Rechts der Saone führt eine kleine Uferstraße, eine Art Treidelweg, in Richtung Süden. Hier fahre ich weiter, doch der Weg ist bald zu Ende und ich muß den Berg hinauf zur N 6, die ich weiter in Richtung Macon benutzen kann. Macon ist die erste größere Stadt, kurz vorher mache ich Picknick am Ufer des Flusses. Eigentlich wollte ich mich hier auch etwas länger aufhalten, deshalb hatte ich mir auch einen entsprechenden Auszug aus dem Baedecker-Reiseführer angefertigt. Doch ich habe mittlerweile einsehen müssen, daß die großen Städte für Besichtigungen mit dem Rad nicht so sehr geeignet sind. Ich wechsele daher auf die linke Seite der Saone und fahre auf der D 933 weiter gen Süden. Das Wetter hat sich gut gemacht, vor allem ist nun eine Spur von Wärme zu spüren. In westlicher Richtung gibt ein Gebirge ein schönes Panorama ab. Ich meinte, es sei schon ein Teil des Zentralmassivs. Aber eine Frau, die ich ansprach und die etwas deutsch konnte, sagte, es seien die Beaujolais-Berge. Hm, das klingt ja nach gutem Rotwein. Nachmittags gibt es doch wieder zwei kleinere Regenschauer und sogar ein Gewitter. Vor diesem stelle ich mich an einer Tankstelle unter. Hierbei esse ich ein Stückchen und trinke einen Espresso aus dem Automaten. Steigungen gibt es im Moment keine mehr. Als nächstes komme ich nach Trevoux, einer Stadt direkt an der Saone. Hier gibt es etwas Ausflugsverkehr mit dem Schiff. Direkt neben der Anlegestelle befindet sich ein großer Boulespielplatz mit vielen Spielfeldern. Hier mache ich wieder eine Pause, um mir mal den beliebten Freizeitsport der Franzosen anzusehen. es ist schon interessant, mit welchem Einsatz die Akteure zu Werke gehen. Mein heutiges Etappenziel ist Neuville, etwa 20 Km vor Lyon. Hier finde ich direkt am Saone-Ufer das Hotel-Restaurant 'Les - Cygnes', wo ich nach einer Unterkunft frage. Der junge Mann am Tresen, es ist der Besitzer selbst, bietet ein Zimmer mit Frühstück für 190 Fr. an. Das nehme ich. Es ist ein sehr geräumiges Zweibettzimmer. Das Haus ist schon etwas älter. Aber vom Zimmer aus habe ich einen schönen Blick auf den Fluss vorm Haus. Es gefällt mir sehr gut hier, zumal das Wetter ja das seine dazu beiträgt, trotz der Schauer Als erstes nutze ich die Gelegenheit zu einem kleinen Waschtag. Im Zimmer habe ich wieder zwei Leinen gespannt, wo ich die Wäsche draufhängen kann. Es sieht fast so aus wie im Vorjahr nach dem großen Regen hinter Nevers.

image018.jpg (19173 Byte)

Neuville - Saone am Abend

Am Eingang zum Restaurant habe ich auf einer Tafel ein Essensangebot gesehen, Plat de jour mit Putenschenkel, Kartoffelgratin und Gemüse für 45 Fr., dazu trinke ich heute wieder ein Viertel Rotwein. Das war gut. Wohltuend fand ich die Bemühungen des Chefs, der mich sehr gut betreute. Am Abend genieße ich noch eine Weile den Anblick von meinem Zimmer, besonders wie sich im Fluß die vielen bunten Lichter spiegeln. Die Fahrleistung betrug heute 110 Km in 7,09 Stunden. Schnitt: 15,35 Km/h. Gesamt Km 630

7. Tag, Donnerstag, 22.April 1999

Neuville - Valence

Mein erster Blick nach dem Aufstehen gilt dem Panorama und dem Wetter. Das sieht ja heute gut aus, blauer Himmel, Sonne, ein paar dünne Wolken. Befreit nehme ich die Wäsche von der Leine, damit habe ich heute keine Sorgen mehr. Nach dem Frühstück kann ich gegen 8.15 Uhr losfahren. Hier muß ich nochmals betonen, daß ich mich im 'Les Cygnes' gut aufgehoben gefühlt habe. Das Nahziel war Lyon. Auf beiden Seiten der Saone führt eine Straße dorthin. Ich entschied mich für die rechte und fuhr über die Brücke auf die andere Seite. Es war eine gute Wahl, wie sich herausstellte. Der Verkehr war mäßig, zudem gab es eine Fahrradspur am rechten Straßenrand. Mich in Lyon umzusehen, hatte ich schon zu Hause nicht vor, aus den hier schon mehrfach erwähnten Gründen. Durch die Stadt hielt ich mich so gut ich konnte einfach im Verkehrsstrom , der weiter am Fluß vorbei nach Süden rollte. Dabei machte ich ein paar Fotos. Die Stadt zieht sich links und rechts an den Hängen nach oben. Mittlerweile war von links die Rhone zur Saone gekommen (oder umgekehrt) und sie gibt nun dem Strom den Namen. Wegen einer Einbahnstraßen-Regelung mußte ich also nun die Rhone überqueren und auf der linken Seite weiterfahren. Hier kam ich sehr gut voran, denn ich konnte weitgehend die Spur der Autobusse nutzen, natürlich, wenn gerade keine da waren. Ob das ganz in Ordnung war, weiß ich nicht. Jedenfalls kam ich auf diese Art und Weise gut durch die Stadt. Ich war selbst überrascht. Danach mußte ich ein Stück auf der N 7 fahren. Die Route National wollte ich ja zumindest im Rhonetal weitgehend meiden, aber hier gab es keine andere Möglichkeit. Der Verkehr war auch bei weitem nicht so schlimm wie ich angenommen hatte. Und so blieb ich zunächst bis Vienne auf dieser Straße. Hier machte ich Mittagsrast an einer sehr breiten Straße in der Stadt. Die Bürgersteige waren hier ebenfalls sehr großzügig angelegt, so daß sie den Gaststätten als zusätzlicher Platz für die Gäste dienten. Und heute bei dem schönen Wetter, wurde dies schon weidlich ausgenutzt. Ich setzte mich auf eine freie Bank und machte Picknick. An dem Treiben in den Gaststätten hatte ich meinen Spaß. Es war nun schon richtig warm geworden. Heute bin ich übrigens erstmals ohne die langen Unterhosen weggefahren. Die Beinlinge hatte ich natürlich noch an. Auch sonst bin ich schon leichter gekleidet. Es heißt also nicht ohne Grund, Lyon sei das eigentliche Tor zum Süden. Hier in Vienne muß ich mir auch das Gesicht eincremen, denn es zeigte schon gestern abend erste Rötungsspuren. Bei der Weiterfahrt nutzte ich mal wieder eine kleinere Straße, die D 4. Sie führt überwiegend durch landwirtschaftlich genutztes Gelände. Besonders schön fürs Auge, die nun schon blühenden Rapsfelder. Zu einer größeren Pause besteht zunächst kein Anlass. Doch nach einiger Zeit ziehen wieder dickere Wolken vom Zentralmassiv über die Rhone heran. Sie bringen wieder etwas Regen mit. Beim ersten Schauer erreiche ich gerade noch eine Bar, wo ich mich unterstellen und eine Kaffeepause machen kann. Der zweite ist weniger heftig. Da ziehe ich meinen Regenumhang an und fahre durch. Mein Wunschziel des heutigen Tages war Valence, wo sich wieder eine Jugendherberge befindet. Notfalls hätte ich auch die Etappe früher beendet, aber um 19.00 Uhr hatte ich es geschafft und war an der Herberge. Das ist wiederum eine sehr große Anlage, ähnlich wie in Dole, wo sich auch noch sonstige soziale und sportliche Einrichtungen befinden. Das Ganze heißt 'Vacanciel l' Eperviere'. Eines der Mädchen an der Rezeption sprach deutsch, so daß es in dieser Hinsicht keine Probleme gab. Ich war allein in einem sechs-Bett-Zimmer, wofür ich 40 Fr. für die Nacht, ohne Frühstück bezahlte.Zu dem ganzen Komplex gehörte auch noch ein Restaurant und ein Hotel. Beim Abendessen traf ich im Restaurant einen Deutschen, Alfons Rohbeck aus Lauf bei Nürnberg, ein sehr interessanter Mann, der auch mit dem Fahrrad unterwegs war. Er wollte ebenfalls nach Spanien zu Freunden, als er an den Pyrenäen krank wurde und umkehren musste. Er hatte immer noch einen schrecklichen Husten. Die Rückfahrt machte er in Nahverkehrszügen mit der Bahn. In Valence wollte er sich eine Möglichkeit suchen und mit einem Lkw nach Deutschland zurückfahren. Ja, der Alfons war ein sehr weitgereister Mann. Er war schon mit dem Fahrrad durch den ganzen Balkan bis in die Türkei gefahren. Auch in der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, England und Polen war er schon, nur noch nicht in den nordischen Ländern. Er konnte interessant erzählen, was er mit Zeitungsausschnitten seiner Lokalzeitung dokumentierte. Diese bringt stets Berichte über seine oft wochenlange Fahrten. Nach Santiago war er auch schon. Als er hörte, daß ich beabsichtige in San Juan de Ortega zu übernachten, das ist dort, wo der Pfarrer die Abendsuppe kocht, schrieb er schnell einen Brief in spanisch an den 'Padre Jose' und gab ihn mir mit. Er sprach auch französisch und eng-lisch. Wie er mir sagte, war er Geologe. Als solcher hielt er auch Vor-träge vor Studierenden, einen Lehrauftrag hatte er allerdings nicht. In den noch an meiner Route liegenden französischen Jugendherbergen kannte er sich bestens aus und gab mir ein paar Tipps, die sich als sehr nützlich erwiesen (z.B.: Séte und Carcassonne) Wir saßen noch lange zusammen und erzählten von unseren Erlebnissen und waren schließ-lich die letzten, die das Lokal verließen. Das war ein schöner Abend.

image020.jpg (24164 Byte)

In der Jugendherberge von Valence mit Alfons Rohbeck

Gegessen hatte ich Fischfilet mit Kartoffeln und Gemüse, dazu ein Glas Wein für zusammen 60 Fr. Heute war die Fahrleistung ziemlich hoch, 134 Km in 8,28 Std., Durchschnitt = 15,83 Km/h. Gesamtkilometer = 764 Nach der ersten Woche kann ich trotz der oft widrigen Wetterverhältnisse eine positive Bilanz ziehen. Ich bin sehr zufrieden.

8. Tag, Freitag, 23.April 1999

Valence - Pont St. Esprit

In der Cafeteria der Jugendherberge treffe ich wider Erwarten doch nochmals Alfons, den Marathonradfahrer. Er hatte sich zwar gestern abend schon mit der Begründung verabschiedet, er wolle sich heute ausschlafen und noch was für seine Gesundheit tun. Doch er hat es sich wohl anders überlegt. Schon am Eingang hörte ich ihn husten und wusste sofort Bescheid. So dauerte das Frühstück wesentlich länger als bei mir üblich. Danach half er mir noch beim Beladen des Rades und es wurde fast 9.00 Uhr, als ich abfuhr. Ich muß schon sagen die Begegnung mit ihm hat mir gut getan, ich habe auch wieder neue Motivation gefunden. Ein Wort zum Wetter, es ist leicht bewölkt und trocken. Die paar Grad, die es nun wärmer ist, kann man gut an der Natur erkennen. Die Bäume und Sträucher beginnen zu blühen. Über die D 7/N 7 geht es zügig in Richtung Süden. Zwischen Livrol und Loriol kommt aus Richtung Alpen ein großer, gelber Fluss, die Drôme. Am Horizont kann man einen Teil der Alpen erkennen. Der Verkehr auf der Nationalstraße ist nicht so stark wie ich angenommen habe. Ich bleibe also darauf, es ist gut zu fahren. Auf der rechten Rhoneseite kann ich nun ein Atomkraftwerk mit vier mächtigen Kühltürmen sehen. Der erste der Türme ist bunt bemalt. In Montelimar sehe ich mich etwas in der Stadt um und mache eine Kaffeepause. Die Stadt ist bekannt durch das Nougat, das es hier gibt. An vielen Geschäften wird es durch eine besonders auffällige Dekoration angepriesen. Die Stadt wird auch das Tor zu Provence genannt. Während meines Aufenthaltes gibt es mal wieder einen Regenschauer. Am Nachmittag wird das Wetter insgesamt schlechter. Was sich nun auch negativ bemerkbar macht, ist der kräftige Wind aus Südwesten. Das ist der Mistral, den mir gestern Alfred schon angekündigt hatte. Der ist ja als höchst unangenehm bekannt und fällt aus dem Zentralmassiv ins Rhonetal hinein. Doch bisher bin ich davon verschont geblieben, und wenn heute vorbei ist, kann er mir wahrscheinlich nicht mehr viel anhaben. Nun bin ich schon längere Zeit unterwegs, ohne mal wieder auf die Departements hinzuweisen, durch die ich gefahren bin. Das ist zwar nicht unbedingt notwendig, ist aber mit Sicherheit später mal eine Orientierungshilfe. Also bei Beaune war ich ja in der Region Bourgogne und im Departement Cote d'Or. Anschließend kam ich ins Departement Saône-et-Loire mit der Hauptstadt Macon in der gleichen Region. Lyon ist sowohl die Hauptstadt der Region Rhone-et-Alpes als auch des Departements Rhone. Danach folgt das Departement Drôme mit dem Verwaltungssitz in Valence. Hinter Montelimar wechsele ich auf die rechte Seite der Rhone und fahre über Viviers nach Pierrelatte. Nun bin ich im Departement Ardeche. Außer der Landschaft gibt es hier nicht viel zu sehen. In Richtung Pont-St-Esprit kann ich nun eine kleine Straße mit wenig Verkehr benutzen. Es gibt wieder Regen, ich stelle mich in einer Unterführung unter. Es dauert ziemlich lange, so daß ich etwas von meinen Vorräten esse und trinke. Ganz will der Regen nicht aufhören. Ich ziehe Regenkleidung an und fahre weiter. Aber nach nur ein paar Kilometer muß ich wieder anhalten. Nun warte ich das Ende des Regens ab. Pont-St-Esprit war für mich ein wünschenswertes Tagesziel. Wenn es das Wetter zugelassen hätte, wäre ich noch etwas weitergefahren. Aber so hat das keinen Zweck, ich höre auf. Die Stadt lag mir ja ohnehin etwas am Herzen, weil ich bei einer Fahrt mit Lenje nach Lourdes hier in einem Straßencafe mal Rast gemacht hatte. Und das suchte ich als erstes auf, ohne mich allerdings niederzulassen .Dann begab ich mich zur Touristeninformation. Bei den drei Damen hinter dem Tresen hatte ich offensichtlich gleich einen Stein im Brett, als sie erfuhren, wo ich hin wollte. Sie bemühten sich sehr, meinem Wunsch nach einem preiswerten Zimmer gerecht zu werden. Schließlich hatten sie das richtige gefunden und präsentierten mir es stolz. Das war 'Chambre d'hotes, Gite d'Etape, etwas ausserhalb der Stadt, an der Brücke über die Ardeche. Das Anwesen gehört zu einer Domäne, wird aber nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Die Ökonomiegebäude hat man zu Unterkünfte für Feriengäste, hauptsächlich Wassersportler, umgebaut. z.Zt. war aber noch nichts belegt. Ich bekam ein Drei-Bett-Zimmer, das 60 Fr. (20.-DM) kostet, Frühstück 28 Fr. Das war das einzige Zimmer, mit so wenig Betten. Alles andere waren Massenunterkünfte, ich zählte allein in dem Gebäude wo ich war, ca. 60 Betten. Aber das ganze war schön gemacht, Einzelbetten nebeneinander mit gleichfarbiger Bettwäsche. Das alles befand sich im Obergeschoss. Unten waren Wasch- und Toilettenanlagen und eine sehr gut eingerichtete Küche mit einem Aufenthaltsraum. Ich kann mir schon gut vorstellen, hier einen schönen Sommerurlaub mit Kindern zu verbringen. Vorsorglich hatte ich mir in der Stadt noch genügend Proviant eingekauft, so daß ich mir mein Abendessen selber machen kann. Nochmals in die Stadt zurückfahren nur wegen des Essens wollte ich nicht. Der heutige Tag war nicht so schön wie gestern. Besonders der Nach-mittag war doch recht kühl und feucht gewesen. Es war übrigens schon der dritte Nachmittag hintereinander, wo es zu regnen begann. Dennoch bin ich heute wieder auf rund 100 Km in 6,20 Std. gekommen. Das ergibt einen Schnitt von 15,67 Km/h Die Gesamtkilometer betragen nun 863.

image022.jpg (25263 Byte)

Pont d'Ardeche bei Pont St.Esprit

9.Tag, Samstag, 24.April 1999

Pont-St-Esprit - Nimes

Der frühe Morgen lässt auf gutes Wetter für den heutigen Tag schließen. Aber der Wind von gestern hält noch an und es ist wieder mal ziemlich kühl. Mit dem Frühstück in der Herberge musste ich etwas warten, der Patron war schon eine Weile weg, offensichtlich um einzukaufen. Ausser ihm war heute morgen niemand zu sehen. Gestern abend war noch ein junges Paar mit einem Kind im Hause gewesen. Der Chef selbst sorgte also heute morgen fürs Frühstück, war einfach, aber eine ordentliche Menge Brot, Butter und Marmelade, dazu eine Kanne Kaffee. Danach fuhr ich zuerst noch zu der nur knapp 100 Meter entfernten großen Brücke über die Ardeche. Anschließend mußte ich ja wieder nach Pont-St-Esprit zurückfahren, das waren etwa 3 Km. Heute war hier Markttag. Der war wohl eine gute Nummer größer als die übrigen Wochenmärkte, die ich bisher so erlebt habe. Zunächst kam ich zur Abteilung Landwirtschaft mit einem fast Super-Angebot an Obst und Gemüse und Blumen. Aber auch die Nachfrage ließ nichts zu wünschen übrig. Es waren schon sehr viel Kauflustige in aller Frühe unterwegs. Als ich ankam staunte ich nicht schlecht, dass ein Bauer seine Ware einfach vom großen Anhänger aus verkaufte. Und der war schon leer als ich wieder wegfuhr. Blumen aller Art, Geranien, Petunien u.s.w. gab's en Masse, doch die Preise waren nicht gerade niedrig. Als Höhepunkt sah ich die vielen Erdbeerstände an. Mein Gott, was waren das Früchte, so was habe ich selten gesehen. Also unsere Senga-Sengana war da nichts dagegen, schöne große, ziegelrote Früchte. Doch auch hier ein sehr stolzer Preis, 22 Fr. fürs Kilo, das sind gut 7.-DM, oder anders gesagt 3,50 DM pro Pfund. Und die gingen gut weg. Damit war der Markt aber noch lange nicht beendet. Über hunderte von Metern zogen sich die anderen Branchen mit ihren Verkaufsständen hin. Da war einfach alles. Textilien, Haushaltswaren, Kleinmöbel u.s.w. . Hier hielt ich mich jedoch nicht allzulange auf, das sah ich mir mehr oder weniger im Vorbeifahren an. Dennoch war mit dem Aufenthalt auf dem Markt etwas Zeit draufgegangen. Ich machte mich nun auf den Weg in Richtung Avignon. Auf diese Stadt war ich besonders gespannt. Bei dieser Fahrt konnte ich wieder eine wenig befahrene Straße, die D 138 benutzen. Es ist schon angenehmer, als auf einer Route National. Aber es ergibt sich nicht immer die Möglichkeit. Hier ist nun ein fruchtbares Land, jedes Stückchen wird dementsprechend auch genutzt, überwiegend mit Obstanbau. Große Plantagen mit Spindelbüschen säumen den Weg. Aber auch große Gemüsefelder sind zu sehen. Und schließlich sind dann noch in Richtung Süden die großen Weingüter immer häufiger anzutreffen. Ich bin nun in der Region Langedoc-Roussillon, und die ist ja für besonders gute Weine bekannt. Mein Weg führt mich mal wieder bis direkt an das Ufer der Rhone. Über eine mächtige Brücke donnern in kurzen Abständen die TGV-Züge der Strecke Méditerranée. Langsam komme ich Avignon schon immer näher. In Bezug auf Avignon muß ich nun mal eine Ausnahme von den inzwischen aufgebauten Prinzipien machen. Trotz der Größe der Stadt werde ich mich doch mit dem Fahrrad hineinwagen. Zunächst komme ich nach Villeneuf les Avignon auf der rechten Seite der Rhone. Am Hang sind noch Befestigungsanlagen aus dem 13. Jahrhundert zu sehen. Ein schöner Anblick. Am Rhoneufer ist ein großer Markt mit Antiquitäten. Da ist eine Menge Betrieb. Gleichzeitig rüstet man sich zur Jumelage mit der deutschen Stadt Rheinbach bei Bonn. Ich fahre wieder zurück und über die Rhonebrücke nach Avignon. Hier hatte ich mir ein paar Ziele gesetzt. Als erstes besuche ich den Rest der Brücke St. Bénézet, ich nenne sie nur 'sur le Pont' nach dem Anfang des französischen Kinderliedes, wo eben diese Brücke besungen wird. Von den ursprünglich 22 Bogen stehen nur noch vier mit dem Rest der Brücke im Fluß. Danach fahre ich zu Altstadt mit dem Papstpalast und der Kathedrale. Es ist viel Fußgängerverkehr vor allem Jugend- und Schülergruppen. Auch diesmal ist die Fahrt nicht einfach, zumal die Wegabkürzungen oftmals über Treppen führen, wo ich ohnehin absteigen muß. Das wesentliche in der Altstadt bekomme ich zum sehen. In den Papstpalast traue ich mich wegen des Fahrrades nicht hinein. Bei den vielen Menschen wollte ich es nicht allein, wenn auch abgesperrt vor der Tür stehen lassen. Das sind halt eben die Nachteile mit dem Rad. Zum wiederholten Male seit gestern versuche ich meine Enkelin Cécile telef. zu erreichen. Sie hat gestern Geburtstag gehabt. Nun, heute hats geklappt. Danach fahre ich nochmals an die Brücke St. Bénézet, aber auf die andere Seite des Flusses. mehr geht nicht in meiner Situation. Mein Weg führt mich nun wieder ein Stück zurück, den Berg hinauf aus dem Rhonetal hinaus. Der Wind bläst mir zur Abwechslung mal in den Rücken, was ich dankbar registriere. Damit fährt es sich doch wesentlich leichter. Es ist nun wieder etwas wärmer geworden, ich kann ohne Bein- und Ärmlinge fahren. Der Nachmittag ist richtig schön. Ich habe schon zweimal kurze Pausen zum Essen und Trinken gemacht und komme bald zum Pont du Gard. Das ist eine römische Wasserleitung, die in einer dreistöckigen Brücke, Aquädukt, über den Fluß Gard geführt wird. Das mächtige Bauwerk stammt aus der Zeit um die Geburt Christi und ist über 250 Meter lang. Es diente image024.jpg (26016 Byte) der Wasserversorgung der über 25 Km entfernten Stadt Nimes. Das Aquädukt habe ich schon immer auf Fotos bewundert, nun ist es mir endlich gelungen, es in Natur zu sehen. Hierzu musste ich einen kleinen Umweg machen, aber den habe ich gerne in Kauf genommen. Und das hat sich gelohnt. Das Fahrrad ließ ich nun abgesperrt alleine stehen. Ich war der Meinung, dass ich hier keine Angst zu haben brauche. Auf der anderen Seite ist eine Stelle, von der man eine schöne Aussicht auf das Objekt hat. Hier höre ich deutsche Stimmen. Ich frage, ob mir jemand ein Bild mit der Brücke machen könne. Sofort war ein Mann dazu bereit. Danach kommt es zu einem Gespräch , es sind Leute aus Thun in der Schweiz. Einige von ihnen waren vor Jahren auch schon mal in Santiago gewesen und haben einen Teil des Weges zu Fuß zurückgelegt. Den Pastor von San Juan de Ortega kennen sie auch. Sie bitten mich, Grüße von den Angehörigen der Pfarrei St.Martin, Thun, zu bestellen. Danach gings dann weiter nach Nimes. Hier ist eine Jugendherberge, in der ich übernachten wollte. Da ich zeitig dran war, sah ich mich zuerst noch etwas in der Stadt um. Der Weg zur Kathedrale und dem Amphitheater ist ausgeschildert, da komme ich gut zurecht. Außerdem ist heute Samstag und nun schon Wochenendverkehr. Am meisten beeindruckt mich das Theater inmitten der Stadt. Dann mache ich mich auf den Weg zur Jugendherberge. Alfons hatte mir schon in Valence erzählt, daß es hier steil bergauf geht. Ich wollte ihm nicht so recht glauben, aber es trifft zu. Den letzte Stich schaffe ich nicht, ich muss absteigen und schieben. Das wäre noch nicht das schlimmste gewesen. Bei meiner Ankunft war die Anlage mit einer Menge Jugendlicher bevölkert, deutsche Schüler, die mit zwei Bussen angekommen waren. Sie warten nun auf ihre Zimmerzuteilung. Oh weh, da sah es für mich nicht gut aus. In der Tat, es war alles besetzt. Ein Zelt im Garten hat man mir noch anbieten können. Das ging natürlich etwas zu weit und ich fragte nach einem entsprechenden Hotel. Und da konnte man mir wieder helfen. Eines der Mädchen an der Aufnahme gab mir eine schriftliche Empfehlung für das Hotel 'Dore' auf der anderen Seite der Stadt. Dazu hat sie den Preis von 120 Fr. draufgeschrieben. Nun das war ein einfaches Haus mit einem sehr einfachen Zimmer. Den vorgegebenen Preis hat man akzeptiert. Das Zimmer war ohne Dusche und WC, es hätte ruhig etwas mehr sein dürfen. Aber besser als ein Zelt auf der Wiese im Garten der Herberge war es allemal. Auf dem Klo wackelte der Sitz. Ich legte ihn sorgsam mit Papier aus, bevor ich mich draufsetzte. Doch dann fiel mir der Deckel ins Kreuz, bin ich da erschrocken. Die Dusche habe ich schon gar nicht aufgesucht, habe mich am Waschbecken im Zimmer gewaschen. Bei der Herfahrt bin ich an einer Pizzeria vorbeigefahren. Dorthin ging ich zum Abendessen, das war ganz in der Nähe. Die Pizza und ein Bier haben zusammen 57 Fr. gekostet. Das war zwar nicht allzuviel, aber ich habe auch schon bessere Pizza gegessen. Nun das alles sind Dinge, die man schon mal in Kauf nehmen muß. Alles in Allem aber war ich mit dem heutigen Tag sehr zufrieden, ich habe doch eine Fülle von Eindrücken erlebt, schönes Wetter, schöne Gegend, Villeneuf, Avignon, Pont du Gard und Nimes. Da kann man schon mal Abstriche machen, selbst wenn es an der Unterkunft oder beim Essen ist. Vielleicht war meine Aversion gegenüber dem Hotelzimmer unbegründet, ich weiß es nicht, aber jedenfalls brachte ich es nicht übers Herz, mich einfach so ins Bett zu legen. Ich packte meinen Schlafsack aus und kroch da hinein. Nun konnte ich ruhig, schlafen. Auch heute bin ich wieder gut vorangekommen. Es waren schließlich 122 Km. Dafür habe ich rund acht Stunden im Sattel gesessen. Schnitt = 15,12 Km. Bei den Durchschnittsermittlungen muß man aber immer bedenken, dass bei den langsamen Fahrten durch die Städte oder beim Schieben der Computer immer mitläuft. Doch das ist ja nicht das wichtigste. Gesamtkilometer = 985

10. Tag, Sonntag, 25. April 1999

Nimes - Sète

Am Morgen des neuen Tages muß ich zuerst festhalten, daß ich sehr gut in meinem Schlafsack geschlafen habe. Ich ärgere mich ein wenig über mich selbst, dass ich so kleinlich gehandelt habe und nehme dann das Bett doch etwas näher in Augenschein. Nun, da hätte ich sehr wohl drin schlafen können. Zwar war die Wäsche schon etwas abgenutzt und eher etwas grau, aber frisch gewaschen und sauber war sie doch. Auch der Frühstücksraum, wo es das typische französische Frühstück gab, war sauber. Ebenso die Küche, in die man hineinsehen konnte. Dass ich die Nacht im Schlafsack zubrachte, war somit eher eine dumme Fehlreaktion meinerseits. Das muss ich der Fairneß halber nachtragen. In der Nähe des Hotels war eine Kirche, die die Wirtin auch Kathedrale nannte. Dort sei die erste Messe um 8.30 Uhr. Obwohl ich schon um halb acht reisefertig gewesen wäre, ging ich dann zuerst zur Messe. So kam es, dass ich erst kurz vor 10.00 Uhr abfuhr. Nein, so ganz glatt ging es doch nicht. In unserer Straßen hatten schon einige Lebensmittelläden geöffnet, so dass ich mich zuerst noch damit versorgte. Aber danach gings los. Das Wetter lässt sich zunächst gut an. Meistens blauer Himmel, keine Regenwolken in Sicht. Dazu noch leichter Rückenwind, da lässt sich gut fahren. Ausgangs Nimes stoppt mich ein Autofahrer. Er hat beim Überholen die Jakobsmuschel an meinem Rad erkannt und will nun wissen, ob ich nach Santiago fahre. Mit wenigen Worten, 'Händen und Füßen' tauschen wir uns aus. Ein sehr freundlicher Mensch. Er zeigt mir die beste Route in Richtung La Grand- Motte und lässt es sich nicht nehmen, mich aus der Stadt zu lotsen, indem er kilometerweit langsam vor mir herfährt. Dankeschön! In der Nähe von Vauvert mache ich gegen Mittag abseits der Straße Picknick. Hier mache ich mir auch etwas Erleichterung bezüglich der Kleidung. Über den holprigen Feldweg kommt ein Audi mit Offenburger Kennzeichen. Ich winke und der Fahrer hält an. Er ist allein und spricht mich französisch an. Ich sage: "Guten Morgen". "Oh, er spricht deutsch". Danach gab es ein längeres Gespräch, auch darüber, was es in Deutschland neues gibt. Er sagt mir auch, dass er seit einiger Zeit hier lebt. Bei einem Unfall habe er ein Bein siebenmal gebrochen gehabt und sei seitdem Invalide. Hier fühle er sich sehr wohl. Warum nicht? Vor La Grand-Motte steht auf der Insel eines Verkehrskreisels eine überdimensionale Skulptur eines Flamingos. Sie weist auf die 'Kleine Camarque' hin, die sich hier befindet. Und in der Tat, nach einigen hundert Metern komme ich zu einer größeren seichten Wasserfläche, in der mehrere Gruppen Flamingos stehen, schön. Ich bin nun im Departement Herault, immer noch in der Region Langedoc-Roussillon, deren Verwaltungszentrum Montpellier ist. Das ist zwar nicht mehr weit entfernt, liegt aber nicht auf meiner Route. Der nächste größere Ort ist La Grand-Motte. Das ist eine ganz neue Stadt, die vor ein paar Jahren extra für den Tourismus erbaut wurde. Danach führte die Straße zum Meer. Ich sah es noch nicht, aber man konnte es riechen. Auch die parkenden Autos und die hohe Düne deuteten darauf hin. Das Fahrrad stellte ich an einem geeigneten Platz ab und erklomm die Düne. Und tatsächlich, da lag es vor mir. Es mag zwar nichts besonderes sein , das Meer zum wiederholten Male zu sehen, aber nach einer Fahrt von nunmehr gut Tausend Kilometern mit dem Fahrrad an seinen Strand zu gelangen, machte mich doch glücklich und ein wenig stolz.

image026.jpg (23596 Byte)

Am Meer bei Grand Motte

Am Strand waren wenig Badegäste, das Wetter war einfach noch nicht gut genug dazu. Ich setzte mich zwischen die Grasbüschel und genoß den Augenblick. Ich kann dann am Meer vorbei weiterfahren bis Carnon Plage, wo ich ungestört auf einer Bank am Hafenbecken wieder eine längere Essens-pause mache. Ein paar Boote ziehen vor mir vorbei, auch das sind schöne Augenblicke. Danach gehts über Frontignan zügig auf Sete zu. Das Wetter hat sich erneut geändert, es ist jetzt wieder stark bewölkt und sehr kühl. Der Weg in die Stadt führt an etliche Kanälen vorbei. An einem solchen gibt es einen Zwangsaufenthalt. Eine mächtige Zugbrücke wird gerade vor mir für die Durchfahrt eines großen Schiffes hochgezogen. Da muß ich schon längere Zeit warten. Aber dabei kann ich eine dort stehende Informationstafel studieren und mir meinen Weg zur Jugendherberge raussuchen. Ich mache mir ein paar Notizen und komme dann, ohne jemand zu fragen, gut zurecht. Doch auch hier stellen sich die Angaben von Alfons Holbeck als zutreffend heraus, als er mir in Valence den steilen Anstieg zur Herberge angekündigt hat. Das geht vielleicht hoch, etwa vergleichbar mit der 'Costa Lupara' in Alassio, wo es zur Wohnung von Schwager Ernst geht. Ich habe alle Mühe, das Rad mit dem Gepäck hochzuschieben. Zum guten Schluß sind dann noch etwa 100 Treppenstufen zu überwinden. Ich muß den Weg dreimal gehen, bis ich alles oben habe. Die Rezeption ist geschlossen, es ist nur der Hausmeister anwesend. Der zuckt zunächst mit den Schultern, als ich nach einem Bett frage. Ich muß wohl ein armseliges Gesicht gemacht haben, denn er bedeutete sofort, dass er mich schon vorläufig unterbringen könne. Nur die Formalitäten müsse ich dann später erledigen. Also, das war ja dann doch was. Er quartierte mich im Zimmer Nr. 2 ein, einem Raum mit vier Betten. Eines davon war schon mit einem jungen Mann belegt, einem Franzosen, der gut deutsch sprach. Die Deutschkenntnisse begründete er damit, daß er an der französisch-deutschen Grenze wohne. Da fragte ich ihn unvermittelt, ob er vielleicht aus Merlebach sei? Das ist ein Ort, direkt hinter Saarbrücken, was anderes ist mir nicht eingefallen. Er machte große Augen und meinte, zwar nicht aus Merlebach, aber von Stiringen. Das ist der Grenzort gleich in der Nähe. St.Wendel, unsere Kreisstadt kennt er gut als französische Garnisionstadt. Dann erzählt er mir, dass er Bergmann gewesen und dem Stellenabbau zum Opfer gefallen sei. Nun versuche er mit Hilfe eines Freundes, der schon einige Zeit in Sete lebt, hier einen Job zu bekommen. Zum Abendessen gehe ich runter in die Stadt. Zunächst mache ich einen Rundgang. In einem kleinen Lokal, das relativ gut besucht ist, esse ich eine Lasagne und trinke das schon fast zur Gewohnheit gewordene Viertel Rotwein. Was habe ich eigentlich immer nur mit dem Rotwein, zu Hause trinke ich doch fast nur Bier. Ist es vielleicht so, dass ich mich als Weintrinker eher "in" fühle? Essen und Wein haben zus. 60 Fr. gekostet. Für das Bett und das Frühstück in der Herberge zahlte ich 70 Fr. Heute ist das Fahren gut gelaufen. Bis ins Zentrum der Stadt waren es genau 100 Kilometer bei einer Fahrzeit von 5,38 Stunden. Das ergab den guten Schnitt von 17,88 Km/h. Gesamtkilometer = 1.088

11. Tag, Montag, 26. April 1999

Ein Regentag in Sète

image028.jpg (30749 Byte)

Im Hafen von Sete

Am frühen Morgen ist alles grau, die Wolken hängen tief herab und lassen pausenlos ihre nasse Fracht ab. Es schüttet regelrecht. Was tun?, nichts, abwarten. Bei dem Wetter ist ans Radfahren nicht zu denken. Ich gehe zunächst mal zum Frühstück. Ich bin einer der ersten. Der Hausmeister von gestern abend bereitet den Kaffee, alles andere ist schon bereitgestellt. Ich muß sagen, das Angebot ist reichlich. Meine Erfahrungen bisher in den Jugendherbergen ist die, dass das dort angebotene Frühstück in jedem Falle so gut war wie in den Hotels. Inzwischen ist auch jemand an der Annahme, wo ich die notwendigen Formalitäten nachholen kann. Übernachtung und Frühstück kosten 70 Fr. Die Dame meint, dass ich mir mit der Abfahrt zunächst mal Zeit lassen könne. Noch ein Wort zur Herberge: Die liegt, wie bereits erwähnt, hoch auf dem Berg. Abgesehen von der momentanen Situation hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und aufs Meer. Das 'Stammhaus' ist ein älteres Gebäude, im Innern ist man am renovieren, eine kleine Baustelle also. Davor am Hang sind Terrassen angelegt, auf denen eingeschossige Flachbauten stehen. Die sind meistens mit Gruppen - auch Erwachsene - belegt. Bei uns im Altbau ist alles sehr einfach. Die Holzbettgestelle sind wackelig. Als der Hausmeister gestern abend noch eine dritte Person in unserm Zimmer unterbringen wollte, machte ich ihn darauf aufmerk-sam. Er sah ein, daß man hier schlecht noch jemand in die obere Etage legen könne. So blieben Yves und ich allein. Während des Wartens auf besser Wetter, legte ich eine Flickstunde ein. An der Radlerhose und an den Beinlingen sind kleine Näharbeiten durchzuführen. Danach zeige ich mich mal wieder an der Rezeption. Die Dame meint, ich könne einen weiteren Tag hier bleiben und macht mir ein Angebot für einen Tag Vollpension. Das würde 148 Fr. kosten. Aber ich will noch etwas warten. Als gegen 11.00 Uhr immer noch keine Besserung in Sicht ist, beschließe ich, den Tag hier zu bleiben, so macht das keinen Sinn. Also ein Ruhetag in Sète. Danach ziehe ich meine Regenkleidung an und marschiere zu Fuß in die Stadt, um einige Besorgungen zu machen. Zunächst kaufe ich mir noch zwei Kassetten für mein Diktiergerät. Die kosten allerdings 70 Fr. Das ist für unsere Verhältnisse ziemlich teuer. Bei Globus zu Hause kosten drei Stück 12- 13DM. Am Bankomat hole ich noch etwas Bargeld und kaufe eine Telefonkarte. Sogar die 'Bild am Sonntag' gibt es schon, kostet auch 15 Fr. Danach gehe ich wieder hoch zum Mittagessen. Meinen Platz bekomme ich am Tisch für die Angestellten des Hauses. Ein Vorteil, wie ich feststelle. Denn das weibliche Personal kümmert sich sehr darum und bringt mir mein Essen an den Tisch. Das Essen wird aus irgendeiner Großküche angeliefert. Als erstes gabs einen Teller mit gemischtem Salat - mit Thunfisch u.dgl.-. Das Hauptgericht bestand aus Gulasch und Spaghetti. Fast jeder nahm sich noch einen Nachschlag. Also, da ist man gut satt geworden. Als Nachtisch gabs noch einen Becher Eis. Es regnet weiter. Ich gehe auf mein Zimmer und mache einen Mittagsschlaf. Keine schlechte Idee, das tut mir gut. Yves ist nicht da, er hat auch nicht hier gegessen. Er kommt später gutgelaunt aus der Stadt zurück. Er hat einen Job als Helfer in einer Autoreparaturwerkstätte mit Tankstelle gefunden. Ein preiswertes Zimmer hat er dank seines Freundes auch in Aussicht. Heute war für ihn ein guter Tag. Am Nachmittag wird der Regen weniger und hört zeitweise ganz auf, so dass ich wieder runter in die Stadt gehe. In einer Bar am Hafen esse ich ein Stückchen und trinke einen Cappuccino. Ich dachte schon, ich hätte vielleicht doch noch gut zwei Stunden weiterfahren können. Aber es trübt sich erneut ein und es gibt wieder Regen. Das Abendessen in der Herberge hat mir nicht besonders geschmeckt. Dabei hätte es von der Zusammenstellung durchaus anders sein können. Es gab Fischstäbchen mit Püree und Salat, dazu ein Eis. Aber das Püree war grauenhaft, das war wie man bei uns sagt, ein richtiger 'Stambes'. Dem konnte ich absolut nichts positives abgewinnen. Alles in Allem kann ich aber doch zufrieden sein. Nun, das war der Regentag in Sète. Am Abend lese ich noch in meiner Bild-Zeitung und schlafe relativ früh ein. Wie wird es morgen werden??

12. Tag, Dienstag, 27. April 1999

Sète - Carcassonne

Zunächst war ich ja heute morgen auf das Wetter gespannt. Nun, es regnet schon mal nicht mehr. Aber die Wolken hängen noch tief. Wie es nun werden wird, kann ich nicht sagen. Wenn es so bleibt, kann ich fahren. Aber was war heute morgen mit dem Hausmeister los. Sein Kaffee war dünn und lau, auch der Orangensaft war wohl mehr Wasser als Saft. Aber sonst konnte man mit dem Angebot wieder zufrieden sein. Zum Bezahlen war der Chef selbst an der Rezeption. Er legte mir eine Rechnung über 69 Fr. vor. Ich erklärte ihm aber, dass ich wegen Vollpension mehr zu zahlen hätte. So sei es jedenfalls abgemacht gewesen. Natürlich hat bekam ich eine neue Rechnung über den richtigen Betrag. Er hat sich richtig darüber gefreut, dass ich mich gemeldet habe. Insgesamt war ich ja sehr zufrieden mit dem Aufenthalt am Regentag in der Herberge. Gegen 08.15 Uhr kann ich losfahren. Es gibt noch einen Weg ohne Treppen, sozusagen hintenherum, den ich mit dem Rad hinab in die Stadt fahren kann. Die Straße nach Agde führt direkt am Meer vorbei. Da steige ich mal ab und gehe über den leeren Strand zum Wasser. Durch die rauhe See des gestrigen Tages sind eine Menge Muscheln angespült worden. Ich sammele mehrere und nehme sie mit. Es fährt sich im Moment sehr gut, das Wetter scheint zu halten. In Agde komme ich an den Kanal du Midi. An der großen Rundschleuse werden Erinnerungen wach an die Bootsfahrt mit den Kollegen der Bahnpolizei im Jahre 1989. Dem Verlauf des Kanals werde ich zumindest bis Carcassonne mehr oder weniger folgen. Die nächste größere Stadt ist Béziers. Auf dem Weg nach dort fahre ich über eine Straße, die von Akazien gesäumt wird. Diese stehen gerade in Blüte und verbreiten einen herrlichen Duft. Ich habe sowas schon mal bei Masone in Italien erlebt, als ich auf dem Weg nach Alassio zum Schwager Ernst war. An der Abfahrt nach Portiragnes Plage muß ich unwillkürlich an den 'Husarenritt' mit den Kollegen am Meer vorbei denken. - Hier in der Nähe ist eine Pferderanch direkt am Kanal. Dort hatten wir damals mit dem Schiff angehalten, uns Pferde gemietet und waren ans Meer geritten. Im gestreckten Galopp gings da über den Strand . Ich war wohl derjenige gewesen, der am wenigsten Ahnung von der Reiterei hatte. Noch heute wird darüber gefrotzelt, das arme Pferd. Immer wieder gibt es solche Erinnerungspunkte. Gegen Mittag bin ich in Béziers. Die befestigte Kirche hoch auf dem Berg wäre an sich eine Besichtigung wert gewesen. Doch den Anstieg wollte ich mir ersparen, zumal ich die Kirche auch schon im Innern besichtigt hatte. Im übrigen sieht sie ja auch von unten sehr imposant aus. Am Bahnhof kaufe ich Proviant. Auch hier gibt es wieder 'Bild', wenn auch von gestern. Eine gewisse Information ist es aber allemal. Sehenswert sind hier auch die sieben Schleusen von Fonserannes, am Rande der Stadt. Wenn man Glück hat und kann so einem Schleusenvorgang beiwohnen, ist das schon ein Erlebnis. Doch heute war nicht viel Betrieb, offensichtlich ist auch Mittagspause. Die mache ich dann auch auf einer Bank, Essen, Trinken, Zeitung lesen. Darauf fahre ich zum höher gelegenen Teil des Kanals, wo einige Boote liegen und auf den Schleusenvorgang warten. Einer der 'Kapitäne' sagt freundlich 'Guten Tag'. Er sagt, dass er mich an der Bild-Zeitung als Deutschen erkannt habe und möchte gerne wissen, was es Neues gibt. Ich schenke ihm die Zeitung, worüber er sich freut. Er kommt aus dem Ruhrgebiet und macht mit der Familie hier Urlaub. Über Capestang gehts dann weiter bis Homps. Hier ist die Anlegestelle vergrößert worden. Es liegen auch wesentlich mehr Boote hier. Auch diesmal treffe ich wieder Deutsche, vier an der Zahl. Es reicht für eine kurze Unterhaltung. Das zentrale Thema ist immer wieder das Wetter und hierbei besonders die niedrigen Temperaturen. In der Tat, auch wünschte, es wäre ein paar Grad wärmer. Ich bin nun hier im Departement Aude, in einer sehr fruchtbaren Gegend. Auch hier wird hauptsächlich Wein angebaut, aber es gibt auch große Zucchinifelder. Interessant sind die langen Folientunnels, in denen die Pflanzen heranreifen. Auf noch was hatte ich mich gefreut: Von der Bootsfahrt her wusste ich, dass es hier auch große Erdbeerfelder gibt. Und da wollte ich mir direkt beim Erzeuger welche zum Naschen kaufen. Aber manchmal ist es wie der Fluch, wenn man darauf wartet, kommt nichts. Die bisher benutzten Straßen haben wenig Steigungen, so dass es heute wieder gut läuft. Allerdings muss ich in Puicheric den Fußhaken an der linken Pedale reparieren. Ich benutze dazu das Gelände einer Tankstelle mit Kfz-Reparaturwerkstatt für den Fall, dass ich es allein nicht schaffen würde. Aber es gab keine Probleme. So stand dem Rest der Fahrt nichts mehr im Wege. Auch in Trebes, wo wir unsere Bootsfahrt gestartet hatten, fahre ich am Hafen vorbei. Mein Gott, was ist aus der ruhigen Anlegestelle von damals geworden? Ein richtiger Hafen, der voll Boote liegt, überwiegend neue. Offensichtlich florieren die Geschäfte mit den Urlaubern. Am Stadtrand von Carcassonne gibt es einige Supermärkte, wo ich wieder einkaufe. Vor allem suche ich eine dicke rote Kerze. Über deren Verwendung werde ich morgen berichten. Anschließend kam ich am Hotel 'Octroi' vorbei, wo ich schon zweimal mit Lenje übernachtet hatte. Wenn ich nicht in der Jugendherberge unterkomme, werde ich wieder hierhin gehen. Die Madame spricht nämlich gut deutsch. Das Hotel gehört heute zur Kette 'Logis de France'. Hier biegt auch die Straße zur Burg ab, wo sich die Jugendherberge befindet. Die gewaltige Festung, 'La Cite' hat mich schon beim erstmaligen Anblick im Jahre 1949 fasziniert, als ich mit einer Jugendgruppe nach Lourdes unterwegs war und der Sonderzug eine Besichtigungspause einlegte. Das ist eine kleine befestigte Stadt für sich. Seitdem zieht es mich immer wieder hierher. Ich bin heute zum fünften Male da.

image030.jpg (27359 Byte)

Burg in Carcasonne

Die Jugendherberge ist sehr attraktiv. Allerdings ist sie sehr stark belegt, vor allem mit Kindern, was einen gewissen Geräuschpegel verursacht. Ich selbst bin allein in einem sehr geräumigen Vierbettzimmer, wo ich gut die noch nicht alle trocken gewordenen Wäschestücke nachtrocknen kann. Die Übernachtung kostet 74 Fr. mit dem Frühstück. Zum Abendessen gehe ich in ein Restaurant im Zentrum der Burg. Ich freute mich schon auf die hiesige Spezialität 'Cassoulet', ein Eintopf mit Fleisch, Bohnen und sonstigem Gemüse. Zuvor aß ich eine Zwiebelsuppe. Als Nachtisch gabs wieder Eis. Mit dem Rotwein hat alles zusammen 78 Fr. gekostet. Nachts wurde dann mit Gepolter noch ein zweiter Gast in meinem Zimmer einquartiert. Heute bin ich 133 Km gefahren. Bei einer Fahrzeit von 7,22 Std ergab das einen Schnitt von 18,12 Km/h. Gesamt = 1221 Km

13. Tag, Mittwoch, 28. April 1999

Carcassonne - Auterive

Heute wird es ein denkwürdiger Tag werden, ein schwieriger Tag mit einem absoluten Tief in einer bestimmten Beziehung. Doch davon mehr im letzten Kapitel. Wie so oft muß ich mit dem Wetter beginnen. Es ist ja auch einer der wichtigsten Faktoren, wie die Fahrt tagsüber verlaufen wird. Es ist stark bewölkt, alles ziemlich grau. In den engen Gassen rund um die Herberge will es garnicht richtig hell werden. Doch zuerst mal Frühstück im großen Speiseraum der Herberge. Ich bin nicht der erste. Einzelne Kindergruppen sitzen schon an den für sie reservierten Tischen. Für die Einzelübernachtungen bleibt gerade mal ein Tisch. Mir reicht das, ich habe einen Platz. Das Angebot an Brot, Butter und Marmelade ist reichlich, man kann soviel essen, bis man satt ist. Der Kaffee wird in großen Kannen aufgetragen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Und den gab es im wahrsten Sinne des Wortes. Es wurde richtig dunkel, als während des Frühstücks ein Regenschauer niederging. Das war zunächst noch nicht schlimm, musste ich ja noch packen und das Rad beladen. Der Regen lässt allmählich nach. Zuerst mache ich noch einen kleinen Rundgang durch die Burg, um einige Fotos zu schießen. Als ich losfahren kann, ist es schon 9.00 Uhr. Nun muß ich auch das noch offene Geheimnis um die rote Kerze lüften, die ich gestern gekauft habe: Meine Cousine Adelheid und ihr leider inzwischen verstorbener Mann Rene hatten gehört, dass ich bei dieser Tour auch über Carcassonne fahren werde. Rene's Tante, Maria Schirra, war im etwa 20 Km entfernten Limoux im Kloster und ist auch dort beerdigt. Sie trug den Klosternamen 'Soeur Aloisia'. Sie meinten, ob ich nicht das Grab der Tante aufsuchen wolle. Und ich wollte. Den kleinen Umweg nahm ich gerne in Kauf. Bereits zu Hause hatte ich mir einen Selbstaufkleber mit der Aufschrift gefertigt: "Soeur Aloisia, Ein Gruß aus der Heimat Alsweiler /Saar im Auftrag der Familie Schirra. Hugo Krechan, Pilger nach Santiago". Das klebte ich auf die Kerze und werde nun zum dortigen Friedhof fahren.

 image032.jpg (19913 Byte)In Richtung Limoux gibt es auf jeder Seite des Flusses Aude eine Straße. Ich nehme die kleine auf der rechten Seite des Flusses. Doch die ist mehr dem Gelände angepasst, da geht es rauf und runter. Ich wechsele daher auf die linke Seite, da fährt es sich besser. Den Friedhof in Limoux habe ich schnell gefunden, auch das Grab von Schwester Aloisia. Ich stelle meine Kerze auf, aber ich habe Mühe. sie zum Brennen zu bringen. Der Wind bläst sie immer wieder aus. Doch schließlich brennt sie. Ich mache noch Fotos für die Angehörigen und fahre dann alsbald in Richtung Castelnaudary weiter. Hier ist der höchste Punkt des Kanals du Midi, wenn man so will, die Wasserscheide zwischen Atlantik und Mittelmeer. Es wird Zeit zur Mittagsrast. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich mir eine Brotzeit und verzehre sie auf einer Bank. Ein Neugieriger gesellt sich zu mir. Er ist Österreicher und war Legionär. Die haben in ein paar Tagen hier ein Treffen auf europäischer Ebene. Er ist auch mit dem Fahrrad gekommen. Nun wartet er auf seine Freunde. Er kann gut erzählen, ich brauche während des Essens nur zuzuhören. Aber auch meine Fragen persönlicher Art in Bezug auf die Legion beantwortet er offen. Dann ein Schreck, mein Fahrradcomputer ist weg. Ich finde ihn schließlich am ersten Abstellplatz des Rades, als ich in den Markt einkaufen war. Dort lag er im Graben . Der nächste größere Ort war Villefranche. Dort machte ich eine Kaffeepause. Von hier aus wollte ich dann zum Tal der Garonne. Dazu musste ich meine Fahrtrichtung um etwa 90° änderen und in westlicher Richtung weiterfahren. Die Garonne war noch gut 40 Kilometer entfernt, Dazwischen lag sowas wie ein Mittelgebirge mit etlichen Steigungen. Denselben Weg kenne ich, weil ich ihn schon zweimal mit dem Pkw gefahren bin. Die gesamte Strecke wollte ich heute jedoch nicht mehr fahren. Es würde mir schon reichen, wenn ich auf halbem Weg bis Auterive käme. Ich war zeitig gut dran. Es war ja erst nach 15.00 Uhr. Der Wirt und die Gäste in der Bar meinten, in Auterive wären zwei Hotels. Das gleiche wurde mir ein wenig später von einem jungen Mann bestätigt, den ich vor der noch geschlossenen Tourist-Information befragte. So konnte ich also beruhigt durch die an sich dünnbesiedelte Gegend weiterfahren. An den Steigungen ließ ich mir Zeit und es wurde bald 18.00 Uhr, als ich nach Auterive kam, gerade noch rechtzeitig um wieder einzukaufen. An der Einfahrt zur Stadt standen Schilder, die auf die beiden Hotels hinwiesen. Ich suchte mir zunächst 'Les Pyrenees' aus. Es ist nun doch schon fast halb sieben, als ich dort ankomme. Aber das Hotel ist geschlossen. Durch die Fenster kann man zwar die mit Gläsern eingedeckten Tische sehen, aber es ist niemand da. Alle Türen sind fest verschlossen. Klopfen und Rufen hilft nichts. Nun, es gibt ja noch ein zweites Hotel. Das ist am anderen Ende der Stadt, in Richtung Toulouse. Fahre ich also dorthin. Hier ist wenigstens geöffnet, aber keine Menschenseele anzutreffen. Ich mache mich bemerkbar und rufe, niemand kommt. Ich setze mich an einen Tisch und warte. Dann kommt eine Frau, der ich meinen Übernachtungswunsch vortrage. Sie seien komplett sagt sie mit dem Hinweis auf das Schlüsselbrett. In der Tat, das ist ganz leer, alle Schlüssel sind ausgegeben. Sie verweist mich wieder an das andere Hotel. Meinen Einwand, das wäre geschlossen, lässt sie nicht gelten, das wäre unmöglich. Also fahre ich wieder dorthin. Doch wieder die gleiche Situation. Ich gehe um den ganzen Häuserblock, alles fest verschlossen. In der Nähe habe ich eine Polizeidienststelle gesehen und will dort vorsprechen und um Hilfe bitten, Dienstschluss. Sch.....! Es geht schon auf acht Uhr los. Der Puls schlägt schneller, zumal sich das Wetter wieder verschlechtert. Ein sturmartiger Wind kommt auf und bringt dicke Regenwolken mit. Da ist doch noch der Pizzabäcker am Straßenrand. Der hat gerade einen Kunden. Zunächst wissen die auch keinen Rat. Dann meint der Kunde, in Cintegabelle gäbe es noch eine Pension, das ist in Richtung Foix, etwa sechs Kilometer weit. Bei dem Sturm ist das auch nicht so einfach. Aber was will ich machen, es ist nun ohnehin schon spät. An der Ausfahrt von Auterive sehe ich einen Hinweis auf 'Chambre de h'otes'. Dem fahre ich nach. Doch die Straße ist auf einmal eine Art Feldwirtschaftsweg, Häuser sind keine mehr da. Nur noch ab und zu ein Gehöft. Dann komme ich doch noch an ein einzelstehendes Haus, Da frage ich mal nach. Ja, ich sei auf dem richtigen Weg, noch etwa 2 Kilometer. Nun das beruhigte mich schon mal. Ich muß aber weiter mit dem Wind kämpfen, doch dann bin ich am Ziel. Zunächst ein Bauernhof und dann 'mein' Haus. Doch die Enttäuschungen reißen nicht ab. Alle Türen sind verschlossen, die Läden unten. Was nun? Der Bauernhof nebenan scheint nicht bewohnt. Ich gehe darauf los, um das zu ergründen, Notfalls könne ich ja hier in einem der offenen Schuppen schlafen. Ich komme an einem Stall vorbei - das riecht man -, als plötzlich zwei große, weißgefleckte Hunde herausgeschossen kommen und an mir hochspringen. Gott sei Dank, sie sind nicht scharf, aber sie bellen und der eine leckt mir durchs Gesicht. Da nehme ich Reißaus. Ich muß ja nun wieder zurückfahren, denn dem schmalen Weg kann ich ja nicht folgen. An einem anderen Bauernhof frage ich dann nach einer Schlafmöglichkeit, nichts. Wer kann es auch jemand verdenken, wenn plötzlich bei einbrechender Dunkelheit ein Fremder um Einlass bittet. Es kommen drei junge Leute zu Fuß, die auch mit dem Wind kämpfen. Auch sie wissen keinen Rat. Da ist wieder ein Bauernhaus, unbeleuchtet. Daneben ein Schuppen mit Stroh. Das wäre doch was. Ich klopfe in der Hoffnung, daß niemand kommt, auch kein Hund. Doch es kommt ein älterer Mann zur Tür geschlürft. Er meint, er habe keine Möglichkeit, mich aufzunehmen. Ich will ihm meine Fahrt-unterlagen zeigen und nehme sie aus der Lenkertasche. Dabei kommt wieder eine Windboe und reißt mir alles aus der Hand. Da muß ich zuerst mal den Papieren übers Feld nachrennen. Ein paar Kartenteile habe ich nicht mehr gefunden. Ich bitte den Mann, mich im Stroh schlafen zu lassen, ich hätte ja einen Schlafsack dabei. Das lehnt er entrüstet ab. Noch heute klingt mir der schroffe, rauhe Ton seiner Stimme mit dem "Non, Non" in den Ohren. Er zeigt auf ein großes Anwesen und ich verstehe ihn so, dort solle ich hingehen, die Leute hätten Platz und könnten mich aufnehmen. Es ist zum Verzweifeln. Auf der Fahrt durch den Ort habe ich eine überdachte Wartehalle mit einer Bank an einer Bushaltestelle gesehen. Das wäre vielleicht die letzte Möglichkeit. Im Schlafsack bei voller Kleidung müsste das doch auszuhalten sein. Doch zuerst wollte ich noch auf dem großen Gut vorsprechen. Es ist mittlerweile schon nach neun Uhr. Zu dem großen Hof muss ich noch eine extra Zufahrt von der Straße her nehmen. Es brennt Licht in einem unverschlossenen Raum. Aber hier ist auch niemand. Offensichtlich ist es ein Raum für die Mitarbeiter. Ich klingele und klopfe an der großen Eingangstür. Ich höre jemand kommen. Ein gepflegter Herr öffnet. Ich trage ihm mein Anliegen und meine Situation so gut wie möglich vor. Er will mir helfen und geht ins Haus zurück um zu telefonieren. Dann kommt er achselzuckend ohne Ergebnis zurück. Seine Frau folgt ihm auf dem Fuß. Sie unterhalten sich, aber ich kann es nicht verstehen. Ich stehe daneben wie ein Häufchen Elend. Dann legt mir die Frau ihre Hand auf die Schulter und bedeutet mir, dass ich bei ihnen im Haus schlafen könne. Eine Zentnerlast, nein Tonnen fallen von mir ab, mir zittern regelrecht die Knie vor Aufregung. Ich stelle das Rad in einer Art 'Futterküche' ab und folge der Frau ins Haus. Sie führt mich durch feudal eingerichtete Räume mit Kamin, Parkettböden, Teppiche auf den Böden und an den Wänden, dicke Holzbalken in den Decken, Gemälde, Bücherregale, Skulpturen, Amphoren, schwerer Schreibtisch, Ledergarnitur u.s.w.. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus und frage schließlich Madame, ob ich hier in einem Schloß sei? Lakonisch antwortet sie "Oui". Also war ich bei Schlossherrschaften gelandet. Sie führt mich über einen breiten Treppenaufgang in das obere Stockwerk. Hier ist offensichtlich das Gästezimmer, d.h. eher eine Wohnung mit Schlafzimmer, Wohnzimmer und zwei Badezimmern. Im Schlafzimmer befindet sich ein großes Doppelbett und ein Kamin, Stuck an der Decke, nobel, nobel. Hier soll ich schlafen. Aber ich sage Madame, dass ich nicht in der Bettwäsche schlafen würde, das wäre zuviel Arbeit für sie, um alles wieder herzurichten, ich hätte ja meinen Schlafsack dabei. So machte ich das auch. Dann musste ich noch unbedingt zum Abendessen runter kommen, alles Sträuben meinerseits half nichts. Madame kochte noch eine Suppe und tischte allerlei Esswaren auf. Sie wollten natürlich viel von mir wissen. Ich fand das nur allzu verständlich und gab mir alle Mühe sie zufrieden zu stellen. Dabei zeigte ich auch meine Aufzeichnungen über die Reiseroute, gefahrene Kilometer, wo ich her-komme u.s.w. Auch übers Wetter sprachen wir, vor allem wie es werden würde. Dabei machten sie mir keine allzu-großen Hoffnungen. Es solle noch Regen geben und vor allem starker Wind. Madame erzählte mir auch, daß sie schon mal in Deutschland gewesen sei, in Hermannstadt bei Celle, das sei ihre Partnerstadt in Deutschland. Zuguterletzt war es eine eindrucksvolle Begegnung mit den beiden. Das war vielleicht ein aufregendes Ende des Tages gewesen. Aber Ende gut, alles gut. Beruhigt legte ich mich nieder, obwohl der Wind um das Haus pfiff und der Regen gegen die Fensterläden prasselte.

image034.jpg (33561 Byte)

Auterive, M. et Mme Bonay, Chateau "La verniere"

Mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit schlief ich schließlich ein. Doch am Morgen, als ich aufwachte, hörte ich nichts mehr von Regen und Wind. Erstaunt öffnete ich einen Fensterladen und sah, dass schönes Wetter war. Wie mir Madame später erklärte, hatte die Voraussage mal wieder nicht gestimmt. Der starke Wind sei schließlich in eine andere Richtung abgedreht. Mir war es nach all der Aufregung mehr als recht. An diesem Tag habe ich 131 Km gefahren, Zeit (einschl. der Suche) 8,21 Std, das ist ein Schnitt von 15,75 Km/h. Gesamtkilometer = 1.352

14. Tag, Donnerstag, 29. April 1999

Auterive - Lannemezan

Das bessere Wetter brachte mir wieder gute Stimmung. Madame hatte mich zum Frühstück eingeladen und leistete mir Gesellschaft. Sie plauderte unentwegt, ich verstand nicht alles. Nun wollte ich bezahlen. Ich dachte mir schon, dass sie keinen bestimmten Betrag nennen würde. Da mich aber die Übernachtung schon zweimal um 300 Fr. kostete, hatte ich mir Geld in dieser Größenordnung zurechtgemacht. Doch das wollte sie unter keinen Umständen, sie möchte überhaupt keine Bezahlung haben. Schließlich gelang es mir, ihr wenigstens 100 Fr. aufzudrängen mit dem Hinweis, etwas zum Naschen für ihre drei Enkelkinder zu kaufen. Schließlich war es Zeit aufzubrechen. Madame meinte, ich könne im nächsten Jahr die Fahrt nach Santiago wiederholen und mich rechtzeitig bei ihnen zum Übernachten anmelden. Ich wäre jederzeit herzlich willkommen. Nur sollte ich dann möglichst etwas besser Französisch können, wegen der Unterhaltung. Und noch einen Wunsch hatte sie: Wenn ich in Santiago sei, solle ich ihnen eine Karte schreiben. Das Versprechen gab ich gerne. Ich sagte, ich würde bestimmt noch sehr oft an sie denken und in Lourdes würde ich besonders für sie beten. Der Herr des Hauses hatte inzwischen seine Arbeit unterbrochen und war auch hinzugekommen. Ich wollte wissen, ob er adelig sei, ein Marquis oder ähnliches. Das verneinte er mit dem Hinweis, die Franzosen hätten diese ja alle bei der Revolution geköpft. Zum Abschied machten wir noch ein Foto auf der Terrasse. Nun, was konnte ich sonst noch tun, als mich ganz herzlich für die Aufnahme in schwerer Notsituation zu bedanken. Ich lud sie auch zu einem Gegenbesuch bei mir ein, falls sie mal zur Jumelage nach Hermannstadt fahren würden. - Es ist für mich schwer, an dieser Stelle die Gefühle des Dankes richtig zu beschreiben. Aber etwas kann ich schon vorweg nehmen, die gegebenen Versprechen bezüglich Lourdes und der Grußkarte von Santiago habe ich gehalten. Auch habe ich mich nach meiner Rückkehr schriftlich bei ihnen bedankt. Mein Freund, der Lehrer Arnold Klein, hat den Brief ins französische übersetzt. Von Madame bekam ich auch Antwort, und diesen Brief musste Arnold ebenfalls übersetzen. Ich werde ihn meinem Bericht als Anlage beifügen. Zum Abschluss meines kleinen Abenteuers in Auterive zeigte mir Madame eine Abkürzung des Weges nach Capens. Sie fuhr dazu mit ihrem Pkw vor mir her, bis ich die richtige Straße erreicht hatte. Ich brauchte deshalb den Umweg durch die Stadt nicht zu fahren. Vielen herzlichen Dank für alles, Madame und Monsieur Bonay. Nun, das Wetter hatte sich ja total gedreht. Der Himmel war blau, ein paar Wolken waren noch im Süden. Der Wind war vollkommen still. Lediglich auf der Straße lagen noch die Äste, die von den Bäumen herabgebrochen waren. Das Gelände verlief weiterhin auf und ab. Nach der ersten Steigung konnte ich die schneebedeckten Berge der Pyrenäen sehen. Im Vorjahr war das ja nicht möglich gewesen. Aus Sorge, es könnte auch schon der letzte Anblick sein, machte ich schnell ein Foto. Bei Capens kam ich nach 20 Km ins Tal der Garonne. Hier fuhr ich nun flußaufwärts auf Nebenstraßen in Richtung St. Gaudens. Zur Orientierung fehlten mir allerdings die Kartenteile, die mir gestern abend vom Wind fortgeweht worden waren. Ich wusste aber, dass ich die Route National nicht nehmen konnte, denn die war schon 1990 abwechselnd dreispurig und sehr stark befahren. Ja, und hier an der Garonne, mal rechts, mal links, fuhr sich bei dem schönen Wetter richtig gut. Es gibt da noch ein paar Staustufen, die den Fluß groß und breit werden ließen, wo auch Wassersportmöglichkeiten sind. Das erste Picknick nutze ich, um mir Marscherleichterung zu verschaffen. Nun konnte ich in kurzen Hosen fahren. In Cazères war Markttag. Ich wollte ja schon vor ein paar Tagen frische Erdbeeren beim Bauern auf dem Felde kaufen, aber es hat sich bisher einfach keine Gelegenheit dazu geboten. Doch hier war ein Stand mit sehr schönen Früchten. Ich kaufte mir eine Tüte voll und ließ mich auf einer Bank nieder, um sie sofort zu essen. Danach ging es weiter an der Garonne entlang. Und immer wieder gab es herrliche Blicke auf die Pyrenäen. Ich machte oft ein Foto, ich kann sie gar nicht alle gebrauchen. Nach einer Weile komme ich nach St.Gaudens. Die Stadt mit einer schönen Kathedrale liegt auf einem Hügel, den ich aber nicht hinauffahren will. Ich nehme die Umgehung, und so kann ich heute noch einigen Kilometer mehr hinter mich bringen. Doch auch der schönste Tag ist erst am Abend zu Ende. In Montrejeau gibt es bei einem Anstieg einen Schauer, ich muß mich unterstellen. Hier verlasse ich auch das Tal der Garonne. Das Wetter wird nun doch wieder schlechter, ich denke ans Aufhören. In einem Hotel-Restaurant mache ich Rast und trinke einen Cappuccino. Am Aushang sehe ich mir die Übernachtungspreise an. Für diesen Betrieb scheinen sie mir etwas hoch. Das wäre jedoch nicht ausschlaggebend gewesen. Der Wirt hat mir nicht gefallen, der war nicht freundlich, ein 'Muffkopf'. So fahre ich trotz des leichten Regens weiter. Ein Gewitter kommt und ich muß wieder Schutz suchen, diesmal unter dem Dach eines Schuppens, der neben einem Wohnhaus steht. Die Frau des Hauses hat mich gesehen und bittet mich herein. Ich möchte nicht, doch sie gibt keine Ruhe. Erst recht nicht, als sie die Muschel an der Gepäcktasche erblickt hatte. Nun will sie mehr über die Reise nach Santiago wissen. Ihr Mann kommt hinzu, der fährt auch viel mit dem Fahrrad, sogar Rennen, wie die Fotos an den Wänden dokumentieren. Dennoch zeigt er sich beeindruckt über meine Fahrt. Der Regen hat schon eine Weile aufgehört, aber wir reden noch immer. Dann geben mir die Leute noch einen Tipp für eine gute Übernachtung. Doch zuerst komme ich zu 'Chambre dé H'otes' an der Straße. Ich frage interessenhalber bei der Frau vor dem Haus nach dem Preis. Sie möchte 240 Fr für die Übernachtung haben. Das war mir allerdings etwas zu viel. Anschließend komme ich nach Lannemezan zu dem mir empfohlenen Hotel. Da kostet das Zimmer nur 130 Fr. Das nehme ich. Und das war eine gute Wahl, ein schönes, sauberes Zimmer mit Balkon und Blick auf die Pyrenäen. Da kann ich ja gleich wieder ein Foto machen. Die Madame an der Rezeption empfahl mir zum Abendessen ein Menue für 54 Fr. Auch das war mir recht. Die Leute, die mich kennen wissen, dass ich gerne und gut esse. Aber was hier aufgetragen wurde, vor allem an der Menge und zu dem Preis, ist kaum zu überbieten. Das hat mir so gut gefallen, dass ich es einfach mal aufzählen muss: Ich saß allein an einem Tisch. Zuerst gab es eine Terrine Erbsensuppe mit Kartoffelstückchen. Nach dem Motto, was man hat, das hat man, aß ich natürlich gleich zwei Teller Suppe, zumal sie wirklich gut geschmeckt hat. Dann gab's einen Sauerkrautteller mit Nierchen. Ich würde mir sowas ja nie bestellen, habe es auch noch nie gegessen, aber ich muß sagen, das war sehr gut. Dann wird eine große Schüssel Blattsalat mit Croutons aufgetragen. Hiervon nehme ich nur ein wenig. Als Hauptgang gibt es dann Spaghetti-Bolognese. Das fand ich besonders gut, weil der hohe Anteil an Kohlehydraten bei den Teigwaren ja besonders gut ist bei körperlicher Belastung. Aber die Portion war selbst von mir nicht zu schaffen. Das gibt's selten. Doch das war noch nicht alles, es gab ja noch einen Nachtisch, ein Früchtebecher mit einer Art Baisser, dazu noch ein Stückchen Nusskuchen. Zu letzterem bestellte ich mir dann noch eine Tasse Kaffee. Während des Essens hatte ich wie so oft ein viertel Rotwein getrunken. Also, ich muss schon sagen, das war super; der Tipp von den Leuten prima. Das Lokal war übrigens sehr stark besucht. Es waren allein drei Busse mit Schülern da, die den großen Speisesaal für sich hatten. Die Fahrleistung war heute 117 Km in 7, 34 Std. Durchschn. = 15,52 Km/h. Gesamtkilometer = 1469

15. Tag, Freitag, 30. April 1999

Lannemezan - Lourdes

Wie an jedem Morgen gilt mein erster Blick dem Wetter. Das ist heute super, blauer Himmel, kaum Wolken und vom Balkon meines Zimmers ein herrlicher Blick auf die Pyrenäen. Die Gipfel der Berge sind bis weit hinab mit Schnee bedeckt, das warme, rötliche Morgenlicht gibt der Landschaft einen ganz besonderen Reiz. Ich versuche die höchsten Berge nach meinem geographischen Verständnis einzuordnen. Demnach müssten der Col d'Aspin, der Pic du Midi und evtl. der Tourmalet zu sehen sein. Alle mehr oder weniger auch durch die Tour de France bekannt.

image036.jpg (20445 Byte)

Pyrenäen bei Lourdes

Unter diesen Umständen ist auch mein Stimmungstief von vorgestern gänzlich verflogen, ich bin wieder gut drauf. Das Frühstück ist wie das Abendessen, gut und vor allem reichlich. Mit diesem Haus -Hotel-Restaurant la 1/2 Lune, 65300 Lannemezan- konnte ich also sehr zufrieden sein. Ich mache noch ein paar Fotos, belade mein Fahrrad und gegen 8.15 Uhr gehts los. Die Strecke in Richtung Tarbes fährt sich im Moment sehr gut. Aber ich weiß, dass ich noch über einen Höhenzug muss. Doch zunächst habe ich meine Freude an der Landschaft, immer wieder sehe ich zu meiner Linken die Berge, ich mache Fotos, als seien es die letzten. Bei Capvern habe ich dann eine kilometerlange Strecke bergab, da läuft es natürlich super. Hinter Tournay beginnt dann die Steigung, die ich mehr oder weniger kenne. Im Grunde ist dies aber kein Anlass zu klagen, damit muss man einfach fertig werden. Ich mache zunächst eine Rast, um mich zu stärken und ziehe ein paar warme Sachen aus. Es geht nun in der Tat ein gutes Stück bergauf. Aber bald sehe ich durch die Lichtungen des Waldes auf einem Berg einen Fernsehumsetzer. Ich kombiniere, dass der nur zu Tarbes gehören könne. Und in der Tat war es so, ich war also schon oben. Bis Lourdes gab es nun keine Schwierigkeiten mehr. Bei den Vorbereitungen zur Fahrt hatte ich mir die Straßenkarte um Tarbes gut angesehen und eine Route durch die Außenbezirke der Stadt über Odos ausgesucht. Dazu musste ich aber mitten in der Abfahrt in einer Kurve links abbiegen. Obwohl ich mir dies alles genau notiert hatte, hätte ich die Abzweigung ums Haar verpasst. Also nun ging es schon stramm auf Lourdes, meinem heutigen Ziele zu. Ich wusste ja, dass diese Etappe nicht besonders lang sein würde. Schon gegen 12.30 Uhr war ich am Stadtrand von Lourdes. Unser vorjähriges Hotel hatte durchaus unseren Ansprüchen genügt, und so fuhr ich zielstrebig darauf los. Vom letzten Aufenthalt hatte ich ein Foto dabei. Doch die Vorsprache war umsonst, es war alles besetzt. Trotzdem schenkte ich dem Wirt das Foto, er konnte sich erinnern und gab mir den Tipp, direkt gegenüber im Hotel 'du Commerce' nachzufragen. Dort bekam ich auch ein schönes, wenn auch kleines Einzelzimmer für 150 Fr. Im Hause war noch eine Pizzeria, was mir nicht schlecht gefiel. Ich machte mich fertig, aß etwas von meinen Vorräten und begab mich auf den Weg hinab zu den Anlagen um die Grotte. Dabei hoffte ich, auch heute wieder Bekannte aus Alsweiler, die mit dem Pilgerzug hier waren, zu treffen. Über deren genauen Zeitplan war ich jedoch nicht informiert. Ich wusste aber, dass ein lizenzierter Fotograf täglich vor der Basilika Fotos von den einzelnen Pilgergruppen macht. Als ich an dessen Laden vorbeikam, schaute ich mir die neuesten großflächigen Bilder an. Und in der Tat, das des 'Saar-Lourdes-Pilgerzug' war auch dabei. Ich brauchte nicht lange, um die ersten aus unserer Gemeinde zu erkennen. So wusste ich also, dass ich welche treffen könnte. An der Grotte erledigte ich zuerst die Aufgaben, die ich von zu Hause mitgebracht hatte. Gute Bekannte hatten mich gebeten, für ihre Anliegen Kerzen abzubrennen. Für mich persönlich galt das ebenso. Danach ordnete ich mich in die Reihe der Pilger ein, die andächtig und schweigend durch die Grotte gehen. Beeindruckend, wie sie den Fels berühren und abtasten, er ist schon an vielen Stellen richtig glatt geworden, in der Hoffnung auf Hilfe mit ihren Problemen. Beim Verlassen der Grotte erblicke ich an der Mauer zum Gaveufer meinen Jugendfreund Edmund Theobald. Auch er hat mich schon gesehen und winkt mir zu. Das gab ein frohes Wiedersehen mit ihm, seiner Frau Gisela und den Schwägerinnen Elfriede und Marianne. Helmut, den Mann von Marianne, traf ich später bei der Sakramentsprozession, ebenso andere Bekannte aus unserem Ort. Es waren diesmal erheblich mehr als im letzten Jahr.

Nach der Sakraments-prozession, dem Höhepunkt eines image038.jpg (22353 Byte)Pilger-Nachmittags, ging ich mit zum Rosen-kranz mit Pater Gerard, einem Elsässer, der oft die Saar Pilgerzüge seelsor-gerisch begleitet. Den Rosenkranz gestaltet er sehr eindrucksvoll. Die Andacht wurde umrahmt durch den Gesang eines Chores und einer Solistin, die mir auch gut gefallen hat. Wie ich aber erst später erfahren habe, war dies die Christine Ney, die im Sommer als eine der 'Seherinnen' von Marpingen bekannt gewor-den ist. An einem Tag in Lourdes möglichst viel mitzubekommen heißt auch, ständig unterwegs zu sein. Nach dem Rosenkranz begab ich mich wieder ins Hotel, um mich frisch zu machen. Viel Zeit war nicht zu verlieren, wollte ich doch auch noch etwas essen. Mein Wunsch stand eigentlich schon den ganzen Tag fest, eine Pizza. Dazu brauchte ich ja auch nur eine Etage tiefer ins Restaurant zu gehen. Und da wurde sie vor meinen Augen zubereitet. Auch hier trank ich den üblichen Viertelliter Rotwein. Bei der Lichterprozession ordnete ich mich bei den Alsweiler Leuten ein. Helmut hatte mir erzählt, dass auch mein ehemaliger Eisenbahnerkollege Oskar Meisberger aus Gronig unter den Pilgern sei. Doch so sehr ich mich bemühte, ich konnte ihn nicht treffen. Mit Helmut hatte ich abgesprochen, dass ich ihm ein Päckchen mit nach Hause gebe, in dem sich die schon belichteten Filme und die nicht mehr benötigte Reiseliteratur 'Frankreich' befanden. Auch die Muscheln vom Strand bei Sête waren dabei. Also Dinge, die ich nicht mehr mitführen musste. Damit war der Nachmittag und der Abend in Lourdes beendet. Mit dem Erlebnis war ich hochzufrieden. Km 57, = 3,27 Std, = 16,46 Km/h. Gesamtkilometer = 1.526

 

16.Tag, Samstag, 1. Mai 1999

Lourdes - Etsaut

Zum Aufstehen brauche ich eigentlich ja nie eine Weckhilfe. Auch heute bin ich schon um 6.00 Uhr auf den Beinen und packe meine Sachen. Zuerst ging ich dann nochmals runter zur Grotte. Ich dachte, dass dort schon um diese Zeit eine Messe sei. Und ich hatte besonderes Glück, sie hatte gerade begonnen und wurde von mehreren deutschen Geistlichen gestaltet. Meine Nachbarin sang die Lieder kräftig mit. Sie befragte ich auch nach der Messe, wo sie herkommen würden. Es waren mehrere Gruppen. Sie selbst war aus Fulda und gehörte zu einer Reisegesellschaft, die mit dem Bus über Lourdes und Santiago!! nach Fatima fahren. Als sie hörte, dass ich auch nach Santiago fahren wolle, zog sie noch ein paar ihrer Bekannten mit ins Gespräch. Die meinten, man würde sich dann evtl. in Santiago treffen können. Aber das war von mir aus nicht zu realisieren. Ich hatte doch mindestens noch 10 Tage Fahrt vor mir. Danach ging ich wieder ins Hotel zurück zum Frühstück. Aber ich musste wieder zur Grotte, denn ich wollte noch Messen bestellen für Lenje und unsere Familie. Das Büro öffnet erst um 8.30 Uhr. So begegnete ich nochmals Helmut und Edmund mit ihren Frauen. Während wir uns unterhielten, kam auch Pater Gerard des Weges. Ich sprach ihn an und bat, ein Foto von ihm machen zu dürfen. Er führte noch ein kurzes Gespräch mit uns. Inzwischen war es doch halb zehn geworden, bis ich endlich losfahren konnte in Richtung Betharam. Aber soviel Zeit muss man sich eben lassen. Das sind ja auch ganz besondere Erlebnisse, von denen man recht lange zehren kann. Das Wetter ist wieder gut, es ist sehr angenehm zu fahren. Seit Tarbes fahre ich nun auf der gleichen Route wie im Vorjahr, doch es wird sich spätestens in Oloron ändern, weil ich ja über die Pyrenäen einen anderen Pass benutzen möchte. Beim Bäcker in St.Pe de Bigorre kaufe ich mir ein Baguette. Dort hatte ich voriges Jahr auch ein Foto gemacht. Das übergab ich dem Chef, der sehr erstaunt darüber war. So gut es ging, erklärte ich ihm die Zusammenhänge. Dabei erwies sich von Vorteil, dass ich mein Taschenbuch vom letzten Jahr dabei hatte. Da konnte man eben manche Eintragung, vor allem Datum u.dgl., nachlesen. Werner und ich waren in Richtung Oloron über Louvie-Juzon gefahren, was sich als etwas beschwerlich erwies. Allerdings waren wir auch ein Stück von der vorgesehenen Route abgewichen. Diesmal wollte ich es besser machen und fuhr über Nay und Bardettes nach Rebenac. Doch ich kann es gleich sagen, das war Jacke wie Hose. Leichter war diese Route auch nicht. Hinzu kam, dass an den kleinen Straßen oft die Hinweisschilder mit der Nummerierung fehlten, da war ich oft im Zweifel, ob ich noch richtig sei. Ich musste öfters nachfragen. Ab Rebenac gings jedoch wieder gut auf Oloron zu. Dort war heute Markttag und die Stadt voller Leute. Aber eine Bank an der Kirche, wo wir die vier Franzosen im Vorjahr getroffen hatten, war noch frei. Hier konnte ich also wieder gut Picknick machen. Bisher bin ich mehr oder weniger nördlich an den Pyrenäen vorbeigefahren, Also von Osten nach Westen. Ab Oloron ändert sich die Fahrtrichtung auf Süd und zielt nun auf den Somport-Pass zu, wo ich die Pyrenäen überqueren werde. Die Straße verläuft vorerst durchs Tal des Gave d' Aspe, der in der Nähe des Passes entspringt. Heute möchte ich noch die Flachstrecke bis Etsaut fahren, das sind von Oloron aus noch etwa 40 Kilometer. Zwar sind auch hier schon ein paar Anstiege drin, doch sie braucht man kaum zu erwähnen. Es ist inzwischen schön warm geworden, das bedeutet aber auch, dass ich öfters trinken muß. So nach und nach sammeln sich aber in den Bergen ein paar Wolken, auch dort, wo ich den Pass vermute. In Etsaut suche ich die Jugendherberge auf. Der Ort ist ein kleines Dörfchen mit überwiegend alten Häusern. So auch die Jugendherberge, die hauptsächlich von Wanderern aus dem nahen Gebirge genutzt wird. Man ist kräftig am Renovieren, doch offensichtlich geht alles etwas schleppend voran. An mehreren Stellen sind die Arbeiten halbfertig unterbrochen. Es dürfte am Geld liegen. Ich bekomme ein kleineres Zweibett-Zimmer mit Dusche und WC für mich allein. Das ist sehr günstig, kann ich mich doch nach meinen Bedürfnissen gut ausbreiten. Ich bestelle mir für den nächsten Tag ein Frühstück dazu und zahle 69 Fr. Zum Abend verpflege ich mich selbst im geräumigen Aufenthaltsraum. Eine Gruppe französischer Wanderer, etwa 8 - 10 Personen, kochen. Es ist ein lustiges Völkchen. Außerdem sind noch drei jüngere Paare da, die aber nichts miteinander zu tun haben. Verständigen kann man sich untereinander kaum, da es ziemlich laut zugeht. Die Entfernung von Lourdes bis hierher betrug 101 Kilometer. Dafür habe ich 6,49 Stunden gebraucht, das entspricht einem Durchschnitt von 14,82 Km/h. Bisher habe ich zusammen 1.627 Km gefahren.

17. Tag, Sonntag, 2. Mai 1999

Etsaut - Somport-Pass - Jacca

Nachts werde ich von einem Gewitter wach, auch morgens regnet es anfangs noch. Mit dem Frühstück hat es dann nicht so recht geklappt. Zunächst waren die Wanderer dran, die machten alles selbst. Hätte ich auch tun sollen, zumal ich darauf eingestellt bin. Dann kommt eine Angestellte des Hauses, bei der ich mich erkundige. Ja, sie habe eine entsprechende Anweisung für ein Frühstück. Sie werde es herrichten . Derweil belade ich mein Fahrrad und mache mich fertig. Als ich dann zum Essraum komme, ist überhaupt noch nichts gerichtet. Im Gegenteil, das Mädchen sitzt am Tisch und frühstückt zuerst mal selbst. Sie macht auch keine Anstalten, mich zu bedienen. Nach einigem Warten wird es mir doch zuviel und ich frage mit Nachdruck erneut nach. Erst jetzt kommt Bewegung in die Sache. Ihr Verhalten schien mir schon etwas ungehörig. Der Regen hat inzwischen aufgehört, aber die Wolken hängen noch tief in den Bergen. Trotzdem fahre ich gegen 8.35 los. Alfred aus Lauf hatte mir in Valence auch vom schwierigen Anstieg zum Somport von dieser Seite aus erzählt und gesagt, er möchte ihn nicht fahren. Da war mir schon etwas bange geworden. Ich dachte mir schließlich aber so: Von Etsaut bis auf die Passhöhe sind es etwa 20 Km. Wenn ich 'nur' einen Schnitt von 5 Km fahre, bin ich in vier Stunden oben, also gegen 12.30 Uhr. Ein Rennen möchte ich ja ohnehin nicht fahren. Mit dieser Vorgabe ging ich die ersten Steigungen an. Bald sah es so aus, als wolle sich das Wetter bessern. Es wurde etwas lichter, aber viel von den Bergen war nicht zu sehen. Und ich hatte es mir nach dem gestrigen Tag sooo schön vorgestellt. Nun wartete ich auf die beschwerlichen Anstiege, die Alfred angekündigt hatte. Aber es kam nichts derartiges, was ich nicht hätte bewältigen können. Natürlich machte ich schon mal eine Pause zum Trinken und auch zum Ausruhen, aber fahren ließ das sich immer, eigentlich halb so schlimm. Immer wieder schaute ich in Richtung Passhöhe nach den Wolken, ob sie die Sicht nicht bald freigeben würden. Im Gegenteil, bei Km 17,5 wurde es auf einen Schlag schlechter und es fing an zu regnen. Ich musste anhalten und zog zunächst mal meinen Regenumhang über. Weiterfahren konnte ich nicht. Der Regen wurde zwar später etwas weniger, ganz hörte er aber nicht auf. Sog zog ich mich entsprechend an und packte auch meine Taschen regentauglich ein. Das ganze war bei diesem Wetter und den Umständen schon etwas schwierig. Dann fuhr ich im Regen weiter, was allerdings keinen Spass mehr machte. An geschützten Stellen lag noch Schnee und es wurde immer kälter. Doch ich war ja bald oben, es war gegen 12.30 Uhr. Meine Rechnung war also trotz des längeren Aufenthaltes durch den Regen aufgegangen. Die Passhöhe betrug 1607 Meter, sie liegt in der spanischen Provinz Huesca.

image040.jpg (25580 Byte)

Somport Pass

Und hier oben sah es fast trostlos aus. Die ersten Lokale und Geschäfte, noch auf französischer Seite, sind alle geschlossen, kein Mensch ist zu sehen. Etwas weiter ist eine spanische Gaststätte geöffnet. Aber da ist niemand drin, eine Angestellte putzt die Fenster. Doch in der Stube ist es schön warm. Ich ziehe meine nassen Oberkleider aus und hänge sie um den Ölofen zum Trocknen auf. Dann bestelle ich mir einen Kaffee con leche (etwas ganz neues? in Spanien Kaffee mit Milch) und zwei Magdalenas (das ist ein haltbares Biskuit-Gebäck, schmeckt gut und gibt es auch schon bei uns in den Märkten). Nun so wollte ich den Pass nicht verlassen, etwas mehr hatte ich mir schon vorgestellt. Ich war ja wirklich zeitig dran und hatte somit keine Eile. So entschloss ich mich, vorerst auf besser Wetter zu warten. Ich trank einen zweiten Kaffee und ließ mir beim Trinken Zeit. Nun putzten zwei Frauen im Lokal. Die ältere der beiden war die Wirtin. Die sprach mich einige Male in spanisch an, doch woher sollte ich das plötzlich können? Ich war schon froh, wenn ich mir als erstes einen Kaffee bestellen konnte. Meine Hoffnungen auf besser Wetter erfüllten sich leider nicht. Die Regenwolken klebten förmlich in den Bergen und ließen immer wieder ihre nasse Fracht ab. Also werde ich alsbald abfahren. Ich mache noch ein paar Fotos, soll es werden was es will, als drei weitere Radfahrer auftauchen. Sie wollen auch nach Santiago. Wir begrüßen uns und machten uns gegenseitig Fotos. Sie sind von Gran Kanaria, aus Fuente Ventura. Für die Abfahrt musste ich mich wieder gut einpacken. Eine schnelle Fahrt konnte ich aber nicht zulassen. Oft fuhr ich mit beiden angezogenen Bremsen. Zu einer schnelleren Fahrt hatte ich einfach keine Courage, das schien mir zu gefährlich. Je weiter ich nach unten kam, um so besser wurde das Wetter. Der Regen hörte auch bald auf, das war doch schon was. Auch liegt nun das steilste Stück des Weges hinter mir, so dass ich wieder normal fahren kann. Die Straße führt nun durch das Tal des Aragon in Richtung Jacca. Hier und da sehe ich nun auch schon die ersten Hinweiszeichen auf den Weg der Jakobspilger, den Camino. Doch ich fahre weiter über die Straße in Richtung Jacca. Hier komme ich nun zügig voran, etwas Gefälle ist ja immer noch vorhanden. In Jacca werde ich meine heutige Fahrt beenden, ich mag nicht mehr. Es ist zwar erst 15.00 Uhr, als ich dort ankomme und ich habe erst 50 Kilometer gefahren. Doch das ist mir egal. Ich frage mich zur Herberge durch, aber die ist noch geschlossen, Öffnung erst um 16.30 Uhr. So fahre ich zurück zur Kathedrale, sperre mein Rad ab und mache dort eine Besichtigung. Der Kirche ist das Museum der Diözese angeschlossen. Da gehe ich auch hinein. Am Eingang sitzt ein Monsignore. Ich komme mit ihm ins Gespräch und er stempelt mir meinen Pilgerausweis ab. Ins Museum darf ich umsonst. Danach fahre ich nochmals zur Herberge. Zwei freundliche Herren versehen nun den Sonntagsdienst. Die Herberge ist neu renoviert und ganz toll eingerichtet. Keine Doppelstockbetten, sehr saubere Wasch- und Toilettenanlagen, sehr gut ausgestattete Küche. Die Übernachtung kostet 600 Pts (Pesetas), das sind etwa 7,50 DM. Außer mir befindet sich noch ein Franzose im großen Schlafsaal. Er hat schon einen weiten Fußweg hinter sich, fast 1.000 Kilometer und kommt aus der Nähe von Avignon. Da die Verhältnisse günstig sind, wasche ich zunächst mal meine Wäsche und lege sie zum Trocknen auf die Heizung. Nach dem Duschen gehe ich wieder in die Stadt, zuerst zur Zitadelle. Heute ist ja Sonntag, und da sind viele Leute unterwegs, viele mit Kindern, Familientag. Das Wetter ist nunmehr wieder passabel. Wieder im Zentrum, suche ich ein Lokal zum Abendessen auf. Durchs Fenster hatte ich gesehen, dass Gäste am Tresen eine heiße Wurst aßen. Ich setzte mich aber an einen Tisch und bestellte mir zwei der Würste mit Brot. Dazu trank ich ein Glas Rotwein. Hiervon genehmigte ich mir später noch einen, nicht zuletzt deshalb, um dem Treiben im Lokal zuzusehen. Das hatte mir gut gefallen. Das Ganze hat nur etwa 650 Pts gekostet. Danach setzte ich meinen Gang durch die Stadt fort. Zum Abschluss komme ich an einem großen Lokal mit viel Betrieb vorbei. Ich schaue rein und entdecke noch einen freien Zweiertisch. Dort lasse ich mich nieder und bestelle mir noch einen Kaffee und ein Stückchen. Auch hier habe ich wieder gute Gelegenheit, die meist noch jungen Gäste zu beobachten. Langsam werde ich nun müde und ich mache mich auf den Weg zur Herberge. Dabei hatte ich nicht bedacht, dass diese evtl. geschlossen sein könnte. Und in der Tat, die beiden Herren an der Aufnahme sind nicht mehr anwesend. Doch die Fußmatte lag in der Tür, so daß diese nicht ins Schloss fallen konnte. Das war der Franzose gewesen, gut gedacht Partner, Danke! Heute habe ich nicht so viele Kilometer zusammengebracht. Es sind gerade mal 53 geworden, die Fahrzeit betrug rund 5 Stunden, das ergibt den niedrigen Durchschnitt von 10,74 Km. Ich habe mal die exakten Gesamtkilometer errechnet, indem ich vom heutigen Kilometerstand den bei der Abfahrt abgezogen habe. Das ergibt genau 1.719 Km. Für Frankreich sind das 1.686 und für Spanien 33 Km. Trotz des Regens bin ich heute in sehr guter Stimmung, denn ich bin nun schon in Spanien. Es war ein schöner Tag.

18. Tag, Montag, 03. Mai 1999

Jacca - Monreal

Das Wetter ist ein wenig besser geworden. Obwohl es noch stark bewölkt ist und die Wolken tief in den Bergen hängen, ist es wenigstens trocken. Doch gut anziehen muss man sich schon. Das Frühstück bereite ich mir in der Küche der Herberge selbst zu, Gestern abend bin ich noch an einem geöffneten Lebensmittelladen vorbeigekommen und habe mich entsprechend eingedeckt. Ich möchte hier mal hinweisen, wie das mit dem Frühstück in den spanischen Herbergen abläuft, das heißt, in den Jugendherbergen Frankreichs war das ja ähnlich: Also, die Herbergen sind meistens mit Küchen versehen, die in der Regel auch gut mit Geschirr ausgerüstet sind. Wasser heiß zu machen, um einen Kaffee aufzubrühen, ist also kein Problem. Praktisch kann man hier auch kochen. Von zu Hause hatte ich mir ein Glas Nescafe und zwei Tuben Milch mitgenommen. Das mit der Milch ist nichts, die Tuben reißen auf und der Inhalt drückt sich heraus. Das gibt Schweinerei. Da ist Milchpulver nach meiner Ansicht besser. Als praktisch hat sich der Alu-Becher erwiesen. Mit dem kann man auch das Wasser heiß machen, wenn kein Topf vorhanden ist. Für alle Fälle hatte ich mir einen kleinen Esbit-Brenner mitgenommen. Der ist etwas größer als eine Zigarettenschachtel und wird mit Feststofftabletten beheizt. An sich eine gute Sache, aber ich habe ihn höchstens zweimal benutzt. Also werde ich ihn auch nicht mehr mitnehmen. Zum Frühstück braucht man dann ja nur noch etwas Brot, Butter und Marmelade. An Brot habe ich eine Ration für alle Fälle dabei, Vollkornbrot in einer Dose. Butter und Marmelade kaufe ich mir nur in kleinen Mengen. In jedem größeren Ort gibt es hierzu Möglichkeiten genug. Nach einigem hin und her ist es bei der Abfahrt doch schon 8.45 Uhr geworden. Aber ich komme nicht weit. Nach einigen 100 Metern sehe ich ein Elektrogeschäft, wo ich nach Kassetten fürs Diktiergerät frage. Als Reserve kann eine weitere nichts schaden. Ich hatte mir ja erst in Sête zwei gekauft, aber hier sind sie wesentlich billiger, so dass ich mir gleich zwei nehme. So, endlich geht's zur Stadt hinaus. Ich fahre jetzt auf der 'Aragonischen Route'. Das ist der Weg über den Somport-Pass bis Puente la Reina. Dort vereinigt dieser sich mit dem, den Werner und ich im Vorjahr vom Ibaneta-Pass her gekommen sind. Da heißt der Weg 'Französischer Weg'. Bis zum nächsten Ort, Puente la Reina de Jaca, fährt sich sehr gut. Allerdings dauert es nicht lange bis wieder ein paar Tropfen Regen fallen, so dass einem die Angst schon wieder im Nacken sitzt. Doch im Moment hält es noch. Bei meiner Abfahrt zu Hause hatte Kevin mir wieder einen Stein gebracht, den ich am Eisenkreuz ablegen sollte. Doch ich hatte ihn vergessen. So sammelte ich in einem Bachlauf drei flache Kieselsteine, auf die ich je zwei Namen der Enkelkinder schrieb und nahm sie mit auf den Weg. An der Brücke über den Aragon in Puente la Reina de Jaca treffe ich auch wieder die drei Radfahrer vom Somportpass, die aus Gran Canaria. Sie hatten in dem kleinen Ort Santa Cilia übernachtet. Offensichtlich fahren sie längere Strecken auf dem Fußweg, mein Gott, wie sehen die jetzt schon an ihrem zweiten Tag aus. Schon ziemlich durchnäßt und mit Dreck verspritzt. Ob das gut geht. Sie stellen sich mit ihren Namen vor: Jesus, 43 Jahre alt, Jong, 35, Jose, 31 Jahre alt. An der Brücke mache ich noch ein Foto und fahre über die Straße weiter. Die drei sehe ich dann nochmals, unten am Fluss. Auf der Straße begegnen mir nun öfters Oldtimer, offensichtlich Teilnehmer einer Rallye, die Beifahrer winken. Das hat auch drei Fußpilger zu einer Rast veranlasst. Sie machen Picknick am Straßenrand und schauen dem Geschehen interessiert zu. Ich halte an und spreche mit ihnen. Es sind Schweizer aus der Nähe von Thun. Zum Abschied mache ich noch ein Foto von ihnen, einer gibt mir seine Karte. Das Bild habe ich ihnen als Erinnerung zugesandt. Bisher bin ich durch eine relativ fruchtbare Gegend gefahren. Nun komme ich zum Yesa-Stausse. Hier gibt es kaum eine Anpflanzung, das Land ist versteppt. Drei Dörfer, an denen ich vorbeikomme, sind von ihren Bewohnern verlassen worden. Es gibt hier kaum eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch der langgezogene See wird auf dieser Seite kaum touristisch genutzt. Lediglich auf der anderen Seite gibt es Campingplätze. Die unbewachsenen Hügel erosieren stark, das heißt, der Regen wäscht die etwas losere Erde aus und spült sie zu Tal. An der mächtigen Staumauer befindet sich ein kleines Restaurant mit einem Parkplatz. Auf der glasgeschützten Terasse mache ich Rast und trinke eine Tasse Kaffee und esse ein Stück Kuchen. Das mit dem Glas ist gut, denn über die Mauer fegt ein heftiger Wind. Am Ortseingang von Javier mache ich kurz Halt, um mir ein Schloss und eine kleine Kirche anzusehen. Dann komme ich nach Sanguesa. Das ist ein größerer Ort mit einer entsprechenden Herberge. Doch es ist mir noch zu früh, um den heutigen Tag hier zu beenden. Ich möchte noch bis zur nächsten, im Führer verzeichneten Herberge, nach Monreal fahren. Zuerst fahre ich aber noch zur Stiftskirche Sta. Maria und besichtige sie. Dann geht's über die Brücke des Aragon weiter in Richtung Monreal. Der Weg dorthin gestaltete sich aber doch schwerer als gedacht. Erstens weht auch hier der Wind, von dem ich schon am Yesa-See berichtet habe und zweitens gibt es nun auch wieder einige Steigungen. Wie ich dem Führer entnehme, geht es nun auf eine Wasserscheide zu, auf den Alto Loiti. Das ist in der Tat eine lange Steigung mit 7 %, die fordert die letzten Kräfte. Und spätestens hier bereue ich doch, dass ich nicht in Sanguesa in der Herberge geblieben bin. Doch auch dieser Berg wird genommen und dann geht's hinunter nach Monreal. Die dichten Wolken lassen es nun schon dämmrig werden und ich bemühe mich, schnell zum Ziel zu kommen. Gleich am Ortsanfang frage ich an einer Schlosserei einen Handwerker nach der Herberge. Doch der tut ganz erstaunt und meint, es gäbe hier keine. Ich denke, man kann ja nicht alles wissen und orientiere mich in Richtung Kirche. Zum Pfarrhaus hoch muss ich das Rad schieben. Ich läute und warte, und läute nochmals. Das wird ja heiter, es ist niemand da. Im Weggehen höre ich doch eine Stimme aus der oberen Etage. Der Pfarrer ist am Fenster und ich trage ihm meinen Übernachtungswunsch vor. Er kommt zur Tür und nun erfahre ich von ihm, dass es in der Tat hier keine Herberge gibt. Lediglich in den Ferienmonaten werde der Kindergarten ausgeräumt und für die Pilger hergerichtet. Die nächste Herberge sei noch etwa 6 Kilometer entfernt. Er drückt mir den Stempel in meinen Ausweis und mir bleibt nichts anderes übrig, als zu gehen. Ich frage aber noch, ob ein Hotel am Platze sei. Das bejahte er und zeigte mir den Weg. Sollte es hier schon wieder ein Fiasko geben wie in Auterive? Doch das Hotel ist schnell gefunden, erwartungsvoll trete ich ein. Der junge Mann hinter dem Tresen meint, es seien Zimmer da. Aber die Vermietung wäre Sache des Chefsimage042.jpg (23363 Byte) und der sei nicht da. Wann er denn komme, fragte ich. Er zuckt mit den Schultern, das wisse man nicht , in einer oder in zwei Stunden. Mein Gott, da wird es ja wieder Nacht, und ob es dann klappt. Es ist ja nun schon sieben Uhr. Da flattern schon wieder die Nerven. Aber es nutzt ja alles nichts, ich muss warten. Ich setze mich an einen Tisch und bestelle mir was zum Trinken. Die Zeit vergeht, aber auf einmal ist der Chef da. Er kommt zu mir und verlangt meinen Ausweis. Mit dem verschwindet er im Büro.Als er zurückkommt meint er, es sei o.k. Plumps, ein dicker Stein fällt mir vom Herzen.Ein Angestellter führt mich in den ersten Stock und zeigt mir das Zimmer. Es ist ein sehr schönes Zimmer mit Kleinparkett, zwei Betten, Dusche und WC. Für mich ist es schon längst in Ordnung, ich frage gar nicht nach dem Preis, Hauptsache ich bin unter. Ich dusche und gehe wieder runter zum Abendessen. Unter den Angestellten befindet sich nun auch ein Mädchen, das gut deutsch spricht. Da gibt es in dieser Hinsicht ja kaum noch Probleme. Zu essen gibt es Salat, Hähnchenfleisch, Pommes frites, Gemüse und Eis. Dazu noch einen großen Krug Rotwein. Als ich am nächsten Morgen bezahle, kostet alles zusammen 5.345 Pts, das sind noch keine 70 DM . In der Nacht bin ich allerdings durch eine Magenverstimmung wach geworden und nur ganz knapp der Rache Montezoumas entronnen. Woran es gelegen hat weiß ich nicht, vielleicht am Wein? Die heutige Fahrstrecke betrug 106,34 Km, die Fahrzeit 7,15 Std. Durchschnitt 14,64 Km/h Gesamtkilometer 1.786

19.Tag, Dienstag, 4. Mai 1999

Monreal - Los Arcos

Das Wetter am Morgen ist wieder einmal nicht sehr einladend, es ist stark bewölkt und regnerisch. Das Frühstück war nicht im Preis enthalten, man konnte es am Tresen einnehmen. Das ist alles sehr einfach, aber auch billig. Es halten viele Pkw vor der Tür an und die Insassen kommen rein und frühstücken im Stehen. So machte ich es eben auch. Ich trank eine Tasse Kaffee und aß ein Stückchen. Im Moment ist das Wetter nicht zum Fahren. Deshalb gehe ich zunächst in den kleinen Laden in der Tankstelle gegenüber. Dort decke ich mich dem Notwendigsten ein. Trotz des miesen Wetters mache ich noch ein paar Bilder. Besonderes Augenmerk schenke ich dabei einer alten Brücke über den Elorz-Fluß, die im Führer vermerkt ist. Es wird schließlich 9.00 Uhr, bis ich abfahren kann. Zu dem regnerischen Wetter kommt heute wieder ein starker Wind, der mir natürlich zusätzlich zum schaffen macht. Aber ich denke, der verweht auch den Regen. Und im Prinzip war es dann auch so. Die Landschaft wird nun wieder fruchtbarer, es gibt viele gutbestellte Felder. Dann habe ich noch eine kleine Panne gehabt. Ein auf der Straße liegendes Stück Seil war mir in den Zahnkranz am Hinterrad geraten und hatte sich darin verheddert. Das war schon ein schwieriges Stück Arbeit, es wieder herauszubekommen. Vor allem habe ich mir dabei die Finger stark versaut. Dann gibt es noch eine Sehenswürdigkeit, die mitten in den Feldern stehende achteckige Kirche Santa Maria Eunate. Zu der Kirche gehört noch ein Wirtschaftsgebäude mit einem kleinen Laden. Dieser wird von einem Bruder verwaltet. Es sind etliche Besucher da, mehrere Fußpilger, ein Ehepaar aus Australien, zwei junge Mädchen aus Brasilien, zwei Radfahrer und mehrere Leute mit dem Auto. Im Laden lasse ich mir den Stempel im Pilgerausweis aufdrücken und gebe eine Spende. Es ist nun nicht mehr weit bis Puente la Reina. Ich befinde mich hier in der Provinz Navarra. In Puente la Reina wird die Straße durch die Altstadt renoviert. Schon an der Herberge, am Anfang des Ortes, sind tiefe Gräben ausgehoben, die ein Befahren unmöglich machen. Auch der Weg zur bekannten Brücke ist unpassierbar, man muß über die Hauptverkehrsstraße fahren. So hatte ich mir das hier ja nicht vorgestellt. Dennoch kaufe ich mir noch ein paar Eßwaren und mache Picknick auf einer Bank an der Umgehungsstraße. Danach fahre ich aber doch noch zur Brücke. Über Maneru komme ich nach Cirauqui, diesmal aber über die Hauptverkehrsstraße. Das ist ein schöner Ort, am Eingang südländisches Flair mit Palmen, etwas weiter ein Stück einer Römerstraße und eine historische Brücke aus der gleichen Zeit. In Villatuerta muß ich im Ort eine kräftige Steigung nehmen, nach der ich mich selbst in einer Bar mit einer Tasse Kaffee con leche und zwei Magdalenas belohne. Hier fahre ich nun auf der N 111, die ich bis Logrono noch öfters benutzen werde. Das Fahren auf der Nationalstraße macht mir nichts aus. Ich finde es nicht besonders gefährlich, denn neben der Fahrbahn ist meistens ein breiter Streifen für die Radfahrer. Es gibt zwar dann und wann wie bei uns den 'kalten Krieg' zwischen Auto- und Radfahrer, aber in der Regel verhalten sich die Autofahrer, insbesondere die der Lkw sehr rücksichtsvoll. In Estella war im vorigen Jahr die Besichtigung der Innenstadt etwas zu kurz gekommen. Das wollte ich jetzt nachholen. Doch ich muß sagen, da hatten wir im Vorjahr nicht allzuviel versäumt. Stadtauswärts geht es wieder über eine alte Pilgerbrücke und dann den Berg hoch. Aber diesmal brauche ich zur Belohnung nicht in einer Bar einzukehren, denn ich komme bald zum bekannten 'Weinbrunnen'. Der befindet sich in Irache. Dort hat eine Weingroßhandlung neben ihrem Betriebsgelände den Brunnen für die Pilger errichtet, aus dem nicht nur Wasser, sondern auch Wein getrunken werden kann. Doch mit dem Wein ist Mäßigung geboten. Man spricht davon, dass Pilger nach der Rast am Brunnen, alsbald ihre Tagesetappe beenden mussten. Ich nehme nur ein kleines Glas und ziehe weiter zum nahe Kloster Irache. Hier ist jedoch alles verschlossen, eine Besichtigung des Innern also nicht möglich. Alsbald sieht man in der Ferne den imposanten Bergkegel Monjardin mit einem Castillo auf der Spitze. Unwillkürlich denkt man daran, wieviel Mühe das wohl gekostet hat, um die ganzen Baumaterialien da oben hin zu schaffen. Am Fuße des Berges liegt das Örtchen Villamajor, etwas abseits der Hauptverkehrsstraße. Da fahre ich mal hin. Auf dem Verbindungsweg kommt mir ein Fußpilger humpelnd entgegen. Ein Portugiese, wie er auf einem Schild am Rucksack verkündet. Ich spreche kurz mit ihm, ja er hat jetzt schon Schwierigkeiten, will aber heute noch nach Los Arcos. In Villamajor gibt es einiges zu sehen, ZB. den bekannten Maurenbrunnen und ein landwirtschaftliches Freilichtmuseum. Vom Wetter wäre zu sagen, dass es wesentlich freundlicher geworden ist, vor allem auch wärmer. Ich hatte mir vorgenommen, in diesem Jahr nach Möglichkeit in anderen Herbergen als im Vorjahr zu übernachten. Diesen Vorsatz konnte ich nun gleich in Los Arcos in die Tat umsetzen, obwohl ich gut noch ein paar Kilometer hätte fahren können. Die Herberge ist ein Neubau in Nähe der Kirche und wird von dem Belgier Jak und dem Holländer Jan betreut. Beide sprechen deutsch. Es ist eine schöne Herberge, die Betreuer meinen - nicht zu Unrecht - mit mehreren Sternen. Jak, der belgische Herbergsvater, teilt jedem Pilger das Programm für den Abend mit. Um 20.00 Uhr war eine Pilgermesse in der Kirche. Danach war Gelegenheit zum Abendessen in einem der Lokale. Die Übernachtung kostete 500 Pts. Hier treffe ich auch den Portugiesen wieder, er war per Anhalter gekommen. Die Messe war Dank des Hinweises von Jak sehr gut von den Pilgern besucht. Anderswo gibt es diesen Hinweis nicht, so dass auch nicht die entsprechende Resonanz vorhanden ist. Nach der Messe bat der Pastor die Pilger nach vorn und teilte Andenkenbildchen in spanisch, französisch und englisch aus. Danach spendete er den Pilgersegen. Ich fand das Ganze sehr beeindruckend.

image044.jpg (23285 Byte)

Nach der Pilgermesse in Los Arcos

Zum Abendessen hatte der Wirt das Nebenzimmer seines Lokales für uns Pilger hergerichtet. Da sind dann zunächst mal die Fußpilger, die ja mehr oder weniger die gleichen Tagesetappen haben und sich dann abends auch immer wieder treffen. Entsprechend saßen sie auch heute zusammen an den Tischen. An einem Tisch saß nur eine Person, das war ein spanischer Radfahrer, mit dem ich schon kurz in der Herberge gesprochen hatte. Er war schon beim Essen. Ich setzte mich zu ihm. Nun, mit der Sprache des anderen haperte es sehr bei jedem von uns. Ich kann es aber vorweg nehmen, es wurde ein kurzweiliger und amüsanter Abend. Man stellt sich vor, zeigt mit den Händen und den Fingern sein Alter, sagt woher man kommt u.s.w. Und wenn es auch mit Händen und Füßen nicht klappt, dann ist die Papiertischdecke sehr zum Vorteil. Da kann man drauf malen und kritzeln. Jedenfalls beschrieb mir Jose, ich glaube mehr als die Hälfte aller Spanier heißen so, nicht ohne Stolz seine heutige erste Etappe ab Pamplona. Der Rotwein sagte ihm besonders zu, ich ließ ihn gewähren und so kam es, dass ich heute ausnahmsweise mal Bier trank. Die Flasche Rotwein überließ ich Jose, der hat sie gut gepackt. Natürlich habe ich ihm auch von meiner Fahrtroute und meinen bisherigen Kilometern erzählt. Als sich dann Jak mal zu uns an den Tisch setzte um mit uns zu plaudern, nutzte Jose die Gelegenheit und ging an die Tische seiner Landsleute. Dabei merkte ich, dass er über mich mit ihnen sprach. Ein paar Wortfetzen konte ich aufschnappen wie 'Aleman, Hugo, dos mille Kilometres' (d.h. Hugo kommt aus Deutschland und hat schon fast zweitausend Kilometer gefahren) Dass dies bei den Angesprochenen einen gewissen Eindruck hinterlassen hatte, merkte ich am nächsten Morgen beim Frühstück in der Herberge. Da wurde ich fast von jedem mit 'Hallo Hugo' begrüßt. Jak hatte mir im Restaurant interessantes über den Camino erzählt und mir Namen von Leuten genannt, die ich von ihm grüßen solle. Vor allem den Pastor in San Juan und den Kneipenbesitzer Jose in Acebo, das ist in der Nähe des Eisenkreuzes bei Rabanal. Also heute war ein sehr guter Tag gewesen, nicht zuletzt wegen des Abschlusses in Los Arcos. Hierbei muß ich nochmals betonen, dass der Aufenthalt sehr durch die Initiative der beiden Herbergsbetreuer positiv beeinflusst wurde. Ich habe ihnen von zu Hause Fotos zugesandt. Die Fahrleistung war nicht so toll, es sind nur 75 Km geworden in 5,30 Stunden. Durchschnitt 13,55 Km/h. Gesamtkilometer = 1.861

20. Tag, Mittwoch, 5. Mai 1999

Los Arcos - Sto. Domingo de la Calzada

Nun, dass ich heute morgen von etlichen Pilgern, die gestern abend beim Essen dabei waren, mit meinem Vornamen begrüßt wurde, machte mich doch ein wenig stolz. Sie hatten offensichtlich etwas Achtung vor meiner Leistung. Doch ich möchte diese nicht besonders herausstellen. Wie dem auch sei, der Tag ließ sich gut an. Das Wetter tat das seine dazu. Es war schon am Morgen nicht kalt. Nach dem Frühstück konnte ich schon gegen 8.00 Uhr ohne Jacke losfahren. Am Himmel waren nur ein paar Wolken, der Wind von gestern hatte sich gelegt. Flaches Gelände gibt es zur Zeit nicht, immer wieder sind ein paar Steigungen zu nehmen. In Viana lege ich auf dem Platz zwischen Kathedrale und Rathaus eine Pause auf einer Bank ein. Dabei lausche ich dem Verkäufer von Pfeifeninstrumenten, der auf diesen ein wunderbares Vogelgezwitscher hervorzaubert. Als mir einfällt ein Foto zu machen, packt er gerade seinen tragbaren Laden zusammen und entfernt sich. Nun kommen auch schon die ersten Fußpilger aus der Herberge von Los Arcos an, die immerhin bereits fast 20 Km zurückgelegt haben. Die ersten sind ja auch schon um 6.00 Uhr losmarschiert. Bis Logrono habe ich nur 10 Km und die liegen alsbald hinter mir. Hier versuche ich zunächst den Weg zu finden, um wieder beim Fahrradmechaniker vorbeizufahren, der mir im vorigen Jahr mein Rad repariert hatte. Von ihm hatte ich auch ein Foto dabei. Und in der Tat, ich finde den Weg wieder und seinen Laden. Auch er hat große Augen gemacht, als ich es ihm überreichte. Als ich ihm die Zusammenhänge erklärte, konnte er sich wieder erinnern und fragte nach meinem Begleiter. Ich hielt mich jedoch nicht lange auf, fuhr durch das Stadtzentrum und suchte mir die Ausfallstraße in Richtung Navarrete. Hier fahre ich nicht durch die Stadt, sondern über die Umgehungsstraße, wo ich an einer Stelle mit besonders schöner Aussicht meine Mittagspause mache. Es gibt jetzt wieder ein paar schwierigere Anstiege, so dass ich schon in der nächsten Stadt, in Najera, nach nur 15 Kilometern, wieder eine Pause einlege und in einer Bar einen Cappuccino trinke und zwei Magdalenas esse. Das hat gut getan. Es ist kurz vor 16.00 Uhr und ich bin nun in der Provinz La Rioja. Seit der Mittagspause kann ich in kurzen Hosen fahren, das Wetter ist also bestens. Im Süden, in meiner Fahrtrichtung links, tauchen am Horizont wieder die schneebedeckten Berggipfel auf. Allerdings liegt diesmal nicht so viel Schnee, wie im Vorjahr.

image046.jpg (25208 Byte)

zwischen Navarete und Santo Domingo de la Calzada

Bis zu meinem heutigen Etappenziel St. Domingo sind es noch etwa 20 Km. Dort liegt die Herberge direkt am Pilgerweg in der Stadtmitte. Es ist ein sauberer, gepflegter Altbau. Zu den Herbergsräumen muss man mehrere Treppen hochsteigen. Die Pilger sind in verschieden großen Räumen untergebracht. Die Betten sind einstöckig, aber etwas primitiv, teilweise durchgelegen. Rechts von mir hat sich ein junges Paar aus Brasilien mit deutschen Vorfahren niedergelassen. Auf der anderen Seite wohnen zwei Finninnen, wovon eine deutsch spricht. Sie beenden morgen vorerst ihre Pilgerreise und fahren nach Hause. Für die Übernachtung zahle ich an der Aufnahme eine Spende von 500 Pts. Dazu kaufe ich mir noch einen Anhänger -eine Muschel aus Holz- und eine richtige Jakobsmuschel mit einem roten Schwert drauf, kosten zusammen 15.000 Pts. Nach dem Duschen suche ich zuerst die Kathedrale auf. Das ist die Kirche mit dem Hühnerstall, dessen Ursprung ich im letztjährigen Bericht beschrieben habe. Doch es ist noch alles abgeschlossen, der Zutritt ist nur durchs Museum möglich und das kostet Geld. Ich nehme trotzdem diesen Weg. Mir geht es auch darum, mich wieder mit Fotos vom Hühnerstall zu versuchen. Ich habe ja in diesem Jahr den großen Blitz dabei. Um 20.00 Uhr ist noch eine Messe. Aber die dauert. Zuerst ein Rosenkranz, dann die Messe mit Predigt, ich kann keine Anhaltspunkte erkennen, die sich auf die Pilger beziehen. Doch die Messe ist sehr gut besucht, es muss irgendeinen besonderen Anlass gegeben haben. Danach gehe ich zum Abendessen. Es gibt grüne Bohnen, Kartoffeln und ein Schinkenomlett. Dazu einen Nachtisch und den obligatorischen Rotwein. Heute bin ich nur 80 Km in 6,30 Stunden gefahren. Durchschnitt = 12,33 Km/h! Gesamt-Km = 1941 Doch am späten Abend gibt es noch Ärger in unserem Schlafraum. In einer Ecke haben sich sechs spanische Fußpilger niedergelassen, die sich bis in die Nacht ungeniert miteinander unterhalten und dabei öfters laut lachen. Es stört nicht nur mich, auch die anderen drehen sich mehrmals in den Betten um und können nicht einschlafen. Damit nicht genug, am frühen Morgen geht das gleiche Spielchen wieder los. Da werde ich doch ungehalten. Ich muss zur Toilette und gebiete dabei den Störern unmissverständlich 'Silentium', was sie auch kurzfristig befolgen. Doch wenig später wieder die gleiche Situation. Ich finde sowas schlichtweg unverschämt, muss aber dazu sagen, dass dies einmalig war. In der Regel ist das Verhalten der Pilger untereinander von großer Disziplin und Rücksicht geprägt.

21. Tag, Donnerstag, 6. Mai 1999

Santo Domingo - San Juan de Ortega

Das Frühstück bereiten sich die meisten Pilger wie jeden Morgen in der Küche der Herberge selbst zu. Das 'wie' ist allerdings sehr unterschiedlich. Die einen schaffen gerade mal eine Tasse Kaffee im Stehen, aber andere machen es geradezu mit einer aufreizenden Gemütlichkeit. Da werden Sachen aus dem Rucksack hervorgeholt, die man eigentlich nur von zu Hause kennt. Müsli, Joghurt, Obstsalate und Rohkost sind keine Seltenheit. Normal ist Brot, Butter, Marmelade, Wurst, Schinken, Käse u.s.w. Ich persönlich nehme mir so gut wie immer etwas Zeit zum Sitzen und bin auch zumindest zu einem kurzen Gespräch bereit. Meistens trinke ich zwei Tassen Kaffee. Essen tue ich in der Regel zwei Scheiben Brot mit ausreichend Butter und Marmelade. Aber keine Regel ohne Ausnahme. An einem Büfett in einem Hotel oder so, kann ich mich auch an anderen Dingen laben. Meine Esswaren bewahre ich während der Fahrt in zwei Frischhaltedosen auf. Das hat sich sehr gut bewährt. Aber ich glaube, das habe ich schon mal erwähnt. Das Wetter ist heute zum Radfahren wieder gut geeignet. Es ist zwar bewölkt, aber ich kann ohne Jacke, nur mit dem Trikot losfahren. Ausgangs der Stadt geht's über eine große Brücke über den Fluss Oka. Auch diese Brücke ist, wie so viele im Lande, im Mittelalter eigens für die Santiago-Pilger erbaut worden. Mein Weg führt nunmehr über die N 120, die ich auch ziemlich lange benutzen werde. Die Landschaft ist relativ eben und intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die Äcker reichen fast bis an die Kuppen der Berghügel. Die Anhöhen sind dann relativ karg oder kahl. In Redicilla fahre ich mal durch die Dorfstraße. Aber die ist fast menschenleer. Lediglich in Nähe der Kirche treffe ich vor dem kleinen Refugio noch ein paar Pilger, Nachzügler oder Langschläfer. Ich spreche kurz mit ihnen. Nach gut 20 Kilometer komme ich nach Belorado. Hier mache ich eine Kaffeepause in einer Bar und esse etwas. Das gleiche hatte ich auch hier im Vorjahr getan, so dass mir der Wirt nicht unbekannt war. Mit Hilfe meines Taschenbuches kann ich es ihm erklären. Wie schon öfters erlebt, freut auch er sich über den erneuten Besuch. Über Tosantos fahre ich weiter, vorbei an einer Felsenwand, in der sich eine Einsiedelei befindet. Das Wetter ist nun nicht mehr so freundlich wie am Morgen und überrascht mich in Villafranca Montes de Oca mit einem Regenschauer. Ich stelle mich im Ort unter und warte. Danach geht es aufwärts, eine ziemlich lange Strecke zum Alto Pedraja. Das wird schon etwas schwierig, zumal es weitere Regenschauer gibt. Aber da fahre ich durch und mache auf der Passhöhe eine kleine Pause. Zu großer Eile besteht heute kein Anlass, denn ich habe nur noch ein paar Kilometer bis San Juan, meinem heutigen Etappenziel. Die anschließende Abfahrt ist natürlich eine zusätzliche Erholung. Im Tal befindet sich ein größerer Rastplatz mit dem Bach, der so rostbraunes, ungenießbares Wasser hat. Hier schaue ich mich etwas um und treffe an der Einsiedelei ein dort rastendes älteres Ehepaar aus Belgien. Beide sprechen etwas deutsch und unterhalten sich gern mit mir. Ich stimme sie schon mal etwas ein auf das 'Erlebnis' San Juan. Ich treffe sie später dort wieder. Ich bin wirklich sehr früh in San Juan, ab er die Herberge ist schon fast belegt. Die Fußpilger haben sich schon überwiegend eingerichtet. Im ersten Saal schnarcht schon jemand am hellen Tag wie ein 'Walross'. Ich finde noch ein Bett im zweiten Raum. Da sind Franzosen meine Nachbarn, ältere, sehr sympathische Leute. Der Pfarrer ist noch nicht an der Aufnahme, das hat also noch Zeit. Es ist aber mal wieder eine gute Gelegenheit, Wäsche zu waschen , der Regen hat wieder aufgehört und der Wind hilft sehr beim Trocknen. An den Tischen vor der Herberge treffe ich drei Fußpilger aus England, Patrik Mc Grath, genannt 'Paddy', Gerry, ein ehem . Polizist der Stadt-polizei London und Phil. Das sind drei tolle Typen, von denen ich mich gerne in Beschlag nehmen lasse, zumal Paddy sehr gut deutsch spricht. Mit Gerry komme ich aber auch gut zurecht, Thema IPA, d. i. eine internationale Polizeiorganisation, bei der ich auch Mitglied bin. Später kommt noch jemand zu uns an den Tisch. Paddy stellt ihn als Aki Kolehmainen aus Helsinki vor. Er spricht fast perfekt deutsch, war er doch mehrere Jahre als Ingenieur in einer Maschinenbaufirma in Mannheim tätig. Auch er beteiligt sich rege an der Unterhaltung. Inzwischen kann ich mich auch anmelden. Doch der Pfarrer hat alle Hände voll zu tun, so dass ich mit anderen Dingen kaum zum Zuge komme. Zunächst übergebe ich ihm einige Fotos von mir aus dem Vorjahr, dann den Brief von Alfons Rohbeck und schließlich die Grüße der Schweizer vom Pont du Gard, die ich schriftlich fixiert hatte. Er freut sich, kann aber keine weitere Notiz davon nehmen und legt alles zu einem Stapel unerledigter Papiere auf dem Schreibtisch. Hoffentlich kommt er mal in einer ruhigeren Zeit dazu, das Ganze durchzuarbeiten.

image048.jpg (18976 Byte)

Der Pfarrer von San Juan de Ortega beim Austeilen der Abendsuppe

Um 19.00 Uhr sollte die Messe beginnen, aber es wird etwas später. Es ist noch ein Mitzelebrant da, ein junger Pater aus Polen, ebenfalls Fußpilger, wie Paddy mir erzählte. Der Pastor läßt es sich trotz der Verspätung nicht nehmen und hält noch eine Predigt. In der Messe sind fast ausschließlich Pilger, denn um die Kirche stehen nur wenige Privathäuser. Nach der Messe versammeln sich etliche Pilger im Speisesaal der Herberge, wo der Pfarrer seine bekannte Suppe austeilt. Aki geht mit mir, die Engländer gehen lieber in die Bar. Wir haben keine Esswaren mitgebracht, aber die meisten der Anwesenden an unserem Tische haben etwas dabei wie Brot, Wurst, Käse usw. Das wird alles auf den Tisch gelegt und mit der Suppe mehr oder weniger gemeinsam verzehrt. Das ist ja auch der eigentliche Sinn der Zusammenkunft, ein eindrucksvolles Erlebnis. Meinem Begleiter Aki hat es auch sehr gut gefallen, aber er möchte noch in die Bar. Ich gehe mit. Die Engländer rücken etwas zusammen, so dass wir an ihrem Tisch noch Platz finden. Der freundliche junge Mann, ein sehr kräftiger Typ, hinter dem Tresen kann uns zum Essen nur noch ein Omelett anbieten. Das hatte ich zwar erst gestern in Santo Domingo gehabt, aber das macht nichts. Es ist ohnehin keine große Portion. Ich esse ohnehin nur aus Sympathie zu Kai etwas mit. Der hat einen guten Appetit. Dazu trinke ich ein Bier. Die Engländer verbreiten eine gute Stimmung. Am Nebentisch sitzen meine freundlichen Nachbarn aus der Herberge, die Franzosen. Mit einem kann ich auch ein paar Worte wechseln. Also, die Atmosphäre hier in San Juan ist großartig, das Engagement des Pfarrers steckt alle an. Auf dieser Kurzetappe bin ich heute 53 Kilometer in 4,13 Stunden gefahren. Durchschnitt 12,65 Km/h. Gesamt-Km = 1.994

22. Tag, Freitag, 7. Mai 1999

San Juan de Ortega - Carrion de los Condes

In der Nacht bin ich wach geworden, es regnet wieder. Dennoch höre ich schon vor sechs Uhr meine Nachbarn, die Franzosen, wie sie ihre Rucksäcke packen. Im Schein der Taschenlampen schleichen sie sich aus dem Schlafraum und machen sich auf den Weg. Ihr Verhalten ist von einer großen Rücksichtnahme gegenüber den noch Schlafenden geprägt. Vollkommen anders als gestern in Santo Domingo. So geht's auch. Der Regen hat inzwischen aufgehört, aber es ist stark bewölkt. Eine Weile bin ich im Zweifel, was ich machen soll. Ob ich lieber noch etwas abwarte. Doch die meisten rüsten sich zum Aufbruch. Nun beginne ich ebenfalls. Für alle Fälle sorge ich aber entsprechend vor. Die Taschen werden wasserdicht verpackt und die Regenkleidung kommt griffbereit obenauf. In den Privaträumen des Pfarrers darf man sich in der Küche das Frühstück zubereiten. Er ist selbst anwesend und gibt jedmögliche Hilfestellung. Ich esse heute morgen nicht viel, bin wegen des Wetters zu aufgeregt. Bereits um 7.45 Uhr fahre ich ab. Diesmal nicht über die Hauptroute, sondern über die Variante 'b' des Führers. Die führt bis Burgos ausschließlich über Nebenstraßen. Doch ich komme nicht weit und der Regen setzt wieder ein. An einer Feldscheune stelle ich mich unter. Es sieht nicht gut aus, so dass ich meine Regenkleidung auspacken und anziehen muß. Förmlich in letzter Minute hatte ich mir zu Hause noch die wasserdichte Hose eingepackt, die ich nun erstmals anziehe. So fahre ich schließlich im Regen weiter. Doch kurz vor Burgos hört es auf. Der Weg durch die Stadt ist hier leicht zu finden. Ich orientiere mich am Hinweisschild zur Kathedrale. An einer Brücke über den Arlanzon komme ich zum Stadttor. Dahinter befindet sich die Kathedrale. Im Vergleich zum Vorjahr, als der ganze Bau noch mit Gerüsten versehen war, sieht es diesmal schon wesentlich besser aus. Man hat schon einiges getan, aber fertig sind sie noch lange nicht. Ich beschränke mich bei der Besichtigung nur auf das Äußere. Auf dem Vorplatz treffe ich wieder zwei Deutsche aus der Nähe von Rügen. Der eine ist Pfarrer (Weinzier mit Namen) und schon 78 Jahre alt. Sein Begleiter und Betreuer ist wesentlich jünger. Sie machen jetzt schon zum wiederholten Male ein paar Etappen des Jakobsweges, jedes Jahr ein Stück. Irgendwann wollen sie dann am Ziel sein. In San Juan waren sie nicht, sie hätten nichts über das großartige Erlebnis gewusst und bedauern es sehr. Der Pastor meinte, ich könne ja mal bei ihnen vorbeischauen, vielleicht. Nach dem doch sehr mageren Frühstück heute morgen, brauche ich nun eine gute Tasse Kaffee. Dazu gehe ich in ein Lokal direkt am Vorplatz, wo ich auch noch ein Stückchen esse. Als ich anschließend von hinten an mein Rad herantrete, sehe ich auf der Lauffläche des Hinterrades einen weißen Streifen. Ich dachte zunächst, es seien Rückstände von einer Fahrt über kalkhaltiges Gestein. Aber das konnte nicht sein, denn ich bin doch überwiegend über nasse Strassen gefahren und da setzt sich doch sowas nicht an. Also kontrollierte ich die Sache und stelle fest, daß das Gummi auf der Lauffläche des Reifens total abgefahren war. Dabei war das ein neuer Reifen, den ich mir erst kurz vor Abfahrt sicherheitshalber montieren ließ. Nun , das Lamentieren hilft ja nichts, da muss ich für Abhilfe sorgen. Ich gehe also wieder ins Lokal zurück und frage nach einer Reparaturmöglichkeit. Der Mann hinterm Tresen schreibt es mir auf und bezeichnet mir den Weg. Es ist gar nicht weit von hier. Allerdings ist die Auswahl an Reifen etwas begrenzt, so daß ich mit einem mit grober Lauffläche vorlieb nehmen muß. Doch das ist nur halb so schlimm. Ich muß sagen, viel schlimmer war der erste Schreck, den ich erhalten hatte, nachdem ich das Malheur entdeckte. Doch schon im Laden fiel die Spannung ab. Die Montage war schnell erledigt. Ich fuhr dann nicht mehr in die Stadt zurück, sondern gleich weiter in Richtung Castrojeritz. Auf dem relativ langen Weg dorthin -etwa 50 Km- gibt es eigentlich nur das Castillo in Olmillos de Sasamon, und das ist auch nur von außen zu besichtigen. Also hier heißt es, kräftig in die Pedalen treten. Die Landschaft gehört zur Provinz Burgos. In Castrojeritz mache ich in einer Bar eine Pause bei einer Tasse Kaffee und Gebäck. Zu meinem vorgesehenen Ziel Fromista waren es immer noch 25 Km, die ich ziemlich flott hinter mich bringen wollte. Das Wetter war ja seit Burgos recht gut zum Fahren, jedoch kleinere Schauer gab es schon mal. In Fromista wollte ich mir vor allem die Kirche San Martin mal richtig ansehen. Das ist eine romanische Kirche, wie es in Europa nur ganz wenige geben soll. Aber als ich gegen 18.00 Uhr zur Herberge komme, ist diese bereits voll belegt. Die Aufsichtsperson von der Gemeinde war noch garnicht da. Es war nicht mehr ein einziges Bett frei. Eine Pilgerin gab mir den Tipp zu einer Privatherberge, wo ich auch gleich hinfuhr. Schon von weitem sah ich, wie dort zwei Radpilger gerade hineingingen. Und die haben die beiden letzten Betten bekommen. Was nun? Die Wirtin erklärte mir, 4 Kliometer weiter, in Poblacion de Campos, sei die nächste Herberge. Also musste ich dorthin. Aber zunächst fuhr ich an San Martin vorbei und machte ein paar Bilder. Dort war auch ein Hotel, aber das war ebenfalls schon belegt. An der Kirche hielten mehrere Busse, mit denen eine Menge Schulkinder gekommen waren, Die Kirche wimmelte nur so von ihnen. So fuhr ich alsbald weiter, ohne dass ich das Innere der Kirche richtig gesehen hatte. In Poblacion war ich schnell. Am Garteneingang zur Herberge kam mir eine junge Frau entgegen, die sich als die Verwalterin vorstellte. Ein Bett konnte auch sie mir in der Herberge nicht mehr anbieten. Sie waren ebenfalls total belegt. Aber sie ging mit mir zu einem Privathaus.

 

Sieimage050.jpg (19258 Byte) ging ins Haus, ich blieb im Flur stehen und hörte mit, wie sie mit der Inhaberin, einer älteren Frau verhandelte. Die Wortfetzen von dieser klingen mir noch im Ohr: "Ooohhh Alemano? non, non, non." Dabei hatte sie mich noch garnicht gesehen. Doch ich wußte Bescheid, es war nichts zu, machen. Also machte ich mich auf den etwa 10 Kilometer langen Weg nach Villa-calzar, wo sich die nächste Herberge befand. Das Fahren war hier nicht beschwerlich, denn nun befand ich mich in der Meseta. Das ist eine etwa 180 Km lange Hochebene, also ziemlich flaches Gelände. Villacalzar aber war ein kleiner Ort und so überlegte ich bei der Hinfahrt, ob ich nicht besser gleich nach Carrion de los Condes weiterfahren solle. Das ist eine Stadt mit vielen Dienstleistungsangeboten und sicherlich einer großen Herberge. Eigentlich war das eine gute Überlegung, denn als ich in die Nähe des etwas abseits der Straße liegenden Ortes Villacalzar kam, sah ich wie zwei Pilger aus dem Dorf auf die Landstraße zukamen. Offensichtlich waren auch sie nicht in der Herberge untergekommen. Nicht weit dahinter folgte ein Paar und ging den gleichen Weg. Gleich am Anfang von Carrion bemerkte ich die gelbe Markierung für den Camino. Ihr folgte ich und kam zum Kloster der Schwestern der hl. Klara. Bruno Therre hatte mir davon erzählt, dass er hier übernachtet hatte. So fragte ich an der Pforte nach einem Bett. Der Pförtner ist sehr freundlich und sagt, dass er mir noch was anbieten könne. Der Übernachtungspreis war allerdings etwas höher als in den anderen Herbergen. Dafür war aber Bettwäsche und Badetuch vorhanden. Zuerst brachte er mich in einem Vierbett-Zimmer unter, wo schon zwei Personen waren. Als dann noch weitere Radfahrer, zwei Holländer ankamen, musste ich in ein Zweibett-Zimmer umziehen, wo ich aber allein war. Das war mir gerade recht, das war super, Danke!! In Carrion ist heute großer Markttag. Auf dem Weg zum Abendessen gehe ich da mal vorbei. Es sind hauptsächlich landwirtschaftliche Maschinen zu sehen. Im Restaurant gibt es ein Pilgermenü für 1.050 Pts. Das war ein Gemüseteller, Kartoffeln mit drei Scheiben Fleisch und Salat sowie Eis als Nachtisch. Und Rotwein. Im Lokal habe ich zwei junge spanische Radfahrer getroffen, denen ich in den letzten Tage schon mehrmals begegnet bin. Von ihnen erfahre ich, dass es noch eine zweite Herberge gibt, die der Stadtverwaltung. Sie sind dort untergebracht. Doch ich bin mit meiner Unterkunft mehr als zufrieden. Nun, zuletzt ist der Tag doch noch gut geendet, obwohl ich zwischendurch schon mal gehörig Bammel hatte. Trotz der vielen Kilometer bin ich restlos zufrieden. Tageskilometer = 123, Fahrzeit = 9 Stunden, Durchschn. = 13,65 Km/h Gesamt Km = 2.117

23. Tag, Samstag, den 8. Mai 1999

Carrion los Condes - Mansilla de las Mulas

In der Küche der Herberge bereite ich mir mein Frühstück. Die beiden Holländer sind auch schon da. Der eine, Jan, spricht deutsch. Sie sind in Le Puy in Frankreich gestartet. Ich hatte auch mal die Absicht, dort vorbei zu fahren. Es sind zwei junge Leute und machen erheblich größere Tagesetappen als ich. Das Wetter sieht gut aus, der Himmel ist richtig blau. Bei der Abfahrt im Kloster höre ich jemand 'Adios' rufen. Zunächst sehe ich niemand. Doch dann erkenne ich eine Nonne, die den Kopf ein wenig aus einem spaltbreit geöffneten Tor heraus streckt. Ach ja, denke ich, ich bin ja im Kloster, aber eine Nonne hatte ich bisher noch nicht gesehen. Ich fahre über den Hof und spreche kurz mit ihr, wo ich herkomme u.s.w.. Für ein Foto wollte sie sich nicht in Pose stellen, da musste ich sie schon überreden. Doch vielmehr als der Kopf, durfte es nicht sein. Ich hatte gestern schon erwähnt, dass ich mich in der Meseta befinde. Die Hochebene wird oft als die Kornkammer Spaniens bezeichnet, eine sehr fruchtbare Gegend also. Sie gehört zur Provinz Leon. Bis Sahagun sind es etwa 40 Kilometer, da läuft es gut über die N 120. Schönes Wetter, ich fühle mich gut drauf. In Sahagun fahre ich zunächst mal dem Hinweis auf die Herberge nach. Die ist in einer umgebauten Kirche untergebracht und soll sehr schön sein, also empfehlenswert. Vor dem Gebäude sitzen ein paar junge Männer und winken mir zu. Doch ich halte nicht an. Vor einem Jahr waren Werner und ich ebenfalls an einem Samstag hier. Und da war auch Markttag, also viel Betrieb in der Stadt. Zunächst decke ich mich mit Proviant ein, auch für den Sonntag. Auch Bargeld muss man haben. Am Bankomat hole ich mir 30.000 Pts. Im Marktbereich muß man natürlich das Rad schieben. Es ist ohnehin kaum ein Durchkommen. Auf einer Bank auf dem Platz vor dem Rathaus mache ich Mittagspicknick. Heute lasse ich mir etwas Zeit, denn ich werde nur noch bis Mansilla de las Mulas fahren. Als Alternative wäre noch Leon in Frage gekommen. Doch von der Großstadt wurde abgeraten. Ausgangs des Ortes begegne ich wieder den beiden Holländern, Die fahren heute noch über Leon hinaus. Ich habe sie zwar noch eine Weile vor mir, doch dann sind sie endgültig verschwunden. Überhaupt muss ich sagen, sehe ich jetzt immer häufiger die gleichen Radfahrer, meistens Spanier. Neben den beiden, die ich gestern im Restaurant getroffen habe, ist da noch ein großer mit einem Wuschelkopf zu nennen, der als Partner einen kleinen, schmächtigen hat. Auch sie grüßen stets, wenn sie mich sehen. Bis el Burgos Raneros ist der Pilgerweg nun auch gut für die Radfahrer zu benutzen. Aber er ist nur geschottert, so dass man doch etwas durchgerüttelt wird. Es ist eine Art Feldwirtschaftsweg, der mit Bäumen bepflanzt und mit Ruhebänken versehen ist. Hier treffe ich auf einem Rastplatz eine größere Gruppe Deutscher aus Ellwangen. Sie haben einen Kleinbus dabei, mit dem ihr Gepäck befördert wird und machen hier Picknick. Eigentlich sind sie schon vor Jahren in Würzburg gestartet und machen jedes Jahr etliche Tagesetappen zu Fuß. Im nächsten Jahr wollen sie in Santiago einziehen. Vor El Burgo treffe ich wieder auf die beiden Spanier, die fahren sehr langsam, aber stetig. Ich habe sie noch nie bei einer Rast oder einer Besichtigung getroffen. Doch so kommen sie auch gut voran. In El Burgo verlasse ich dann doch den Feldwirtschaftsweg und fahre über die Straße weiter. Vor mir befinden sich zwei Radler mit einem Anhänger. Es ist ein junges Paar aus Norwegen das eine fünfmonatige Rundreise durch halb Europa unternimmt. Natürlich kommen sie mit dem Anhänger nicht so gut voran und können daher nur kurze Tagesetappen fahren. Der Weg nach Mansilla zieht sich über die Straße doch sehr in die Länge. Das bedeutet schon einen größeren Umweg. In dem Örtchen San Martias mache ich deshalb noch eine Kaffeepause. Der Kaffee tut gut, denn es ist trotz des schönen Wetters nicht sonderlich warm geworden. Und über die Ebene zieht es. Es ist doch sehr unterschiedlich mit der Belegung der Herbergen. In Mansilla sind noch nicht viele Pilger da, ich bekomme ausnahmsweise mal ein Bett in der unteren Etage. Beim Einräumen meiner Sachen fragt jemand hinter mir, wo ich denn meinen Kollegen aus dem Vorjahr gelassen habe. Ich war natürlich sehr erstaunt. Es waren zwei Fußpliger aus Bad Breisig bei Bonn, die Werner und ich damals an der Römerbrücke bei Cirauqui getroffen hatten. Über Werner wussten sie noch Einzelheiten zu berichten, z.B. seine Sorgen wegen des Ausbringens der Saatkartoffeln zu Hause. Sie mussten in Carrion abbrechen. Jetzt sind sie erneut auf dem Weg. Das war schon ein frohes Wiedersehen. Doch einer der beiden hatte schon Probleme mit den Waden. Ich gab ihm eine Portion von meinem 'Beinwohlgel' ab, mit dem er dann die Beine behandelte. Er sagte mir abends beim Essen, es sei schon wesentlich besser geworden. (Das Beinwohlgel ist ein Eigenprodukt meines Nachbarn, des Apothekers Thomas Jung, der das erfolgreich selbst vermarktet). Nach 18.00 Uhr war eine Vorabendmesse in der Kirche, die ich besuchte. Anschließend, Samstag, 19.00 Uhr!!, war noch eine Beerdigung, die ich mal beschreiben muß: Zuerst muß ich sagen, dass ich schon mal im Vorjahr mit dem Verstorbenen zu tun hatte. Es war nämlich der Besitzer des Restaurants, in dem ich gegessen hatte. Das Lokal hatte ich mir auf dem Weg zu Kirche wieder angesehen, aber es war geschlossen. An der Tür konnte man den Grund auf einem kleinen Plakat mit seinem Foto nachlesen. Vor der Kirche hielt der leere Leichenwagen, über und über mit Kränzen und Blumen geschmückt. Der Leichenzug machte einen Weg von etwa 200 Metern bis zur Kirche. Dabei wurde der Sarg auf den Schultern von Männern getragen, die mit weiß-roten Umhängen bekleidet waren. Ein wohl sehenswertes Ereignis. Danach machte ich noch einen Rundgang durch die Stadt, denn vor acht Uhr gibt es ja kein Essen. In einem anderen Lokal traf ich auch die beiden aus Bad Breisig wieder. Wir setzten uns zusammen an einen Tisch. Das war ein sehr unterhaltsamer Abend. Bei der Rückkehr ins Refugio stellte ich fest, dass zumindest in unserem Schlafraum inzwischen alle Betten belegt waren. Noch ein paar Zahlen zu heutigen Tag: Für die Übernachtung in der Herberge, die von der Gemeinde verwaltet wird, habe ich 300 Pts. bezahlt. Das Essen hat mit dem Wein 1.100 Pts. gekostet. Heute bin ich 88 Km in 6.03 Stunden gefahren. Durchschn. = 14,5 Km/h. Gesamtkilometer 2.204. Bis Santiago sind es noch etwa 350 Kilometer.

24. Tag, Sonntag, 9.Mai 1999

Mansilla - Rabanal

Beim Frühstück in der Herberge treffe ich noch ein älteres Ehepaar aus Aischach in Bayern. Es sind Fußpilger und sie haben das Bedürfnis, ein wenig zu plaudern. Den Gefallen tue ich ihnen, obwohl ich morgens gerne früh losfahren möchte. So wird es halt etwas später, bis ich über die Brücke zur Stadt hinaus in Richtung Leon fahren kann. Heute morgen ist es sehr kühl und ich muß die Trainingsjacke über die Fahrradkleidung ziehen. Die habe ich zwar nicht dafür vorgesehen gehabt, aber als Alternative ist das allemal gut. Ansonsten ist es stark bewölkt, aber trocken. In Leon fahre ich zuerst zur Kathedrale und sehe mich um. Beeindruckend sind hier in der gotischen Kirche vor allem die vielen bunten Glasfenster. Jedes einzelne ein Kunstwerk für sich. Leider ist es mir nicht gelungen, ein einigermaßen vorzeigbares Foto von ihnen zu machen. Das hängt mit der längeren Belichtungszeit zusammen, dafür sollte man ein Stativ dabei haben. Vor Leon hatte ich die beiden jungen Spanier wieder einmal überholt. Doch sie sind inzwischen auch hier angekommen. Hier sehe ich sie erstmals bei einer Besichtigung. Sie wissen aber, dass man sich in der Sakristei bei einer Aufsichtsperson den Stempel für den Pilgerausweis holen kann und zeigen mir den Weg. Anschließend fahre ich zur Basilika San Isidoro, die nicht sehr weit entfernt ist. Dann geht es quer durch die Stadt zum ehem. Kloster San Marcos, wo ich über die Brücke Puente San Marcos stadtauswärts in Richtung Villadangos weiterfahre. Hier mache ich gegenüber der Pilgerherberge Rast auf einer Bank. Danach komme ich zur Puente de Orbigo. Das ist eine alte, aber mächtige Pilgerbrücke über den Orbigo. Hier spricht mich eine Fußpilgerin aus Irland an. Zu einem kurzen Gespräch reicht es, aber mehr ist wegen der Sprachschwierigkeiten nicht drin. Die nächste Stadt ist Astorga. Neben der Kathedrale gefällt hier der architektonisch interessante Bischofspalast, in dem auch noch ein Museum untergebracht ist. Hier wird in mehreren Geschäften Kuchen zum Verkauf über die Straße angeboten. Nach so etwas hätte ich jetzt Lust. Aber ich finde kein Lokal, wo ich ein Stück mit einer Tasse Kaffee hätte verzehren können. So bleibt mir nichts anderes übrig, als eine normale Bar aufzusuchen, in der ich ein Stück Paella esse. Das war garnicht schlecht. Nicht weit von Astorga liegt der restaurierte und schön renovierte Ort Castrillo de los Polvozares. Auch dort fahre ich wieder hin und nehme dafür gerne einen kleinen Umweg in Kauf. Ein weiterer Ort mit alten Häusern und einer kleinen Kirche ist Santo Catalina de Somoza. Hier mache ich am romantischen Dorfplatz erneut eine Rast. Das Gelände wird nun wieder hügeliger und die Anstiege steiler. Die Meseta, die große Ebene liegt schon eine Weile hinter mir. Die Vegetation wird immer karger. Doch es ist schon erstaunlich, welch schöne Blüten oft die unscheinbaren Sträucher haben. Der Weg nach Rabanal erscheint mir lang und beschwerlich. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, wie es hinter der nächsten Kurve wohl aussehen wird, ob da schon das Ziel ist?

image052.jpg (25859 Byte)

Catalina zw Mansilla und Rabanal

Über el Ganso komme ich schließlich nach Rabanal. Die Herberge der englischen St.Jakobusbruderschaft liegt ziemlich am Anfang des Ortes, direkt neben der Kirche. Das Refugio hat auf dem Pilgerweg einen sehr guten Ruf, dort fahre ich hin. Und ich habe Glück, nach mir sind nur noch zwei Betten frei. Doch es gibt noch eine zweite Herberge im Ort. Ein noch junges englisches Ehepaar betreut diesmal die Herberge, der Mann spricht deutsch. Es ist gute Gelegenheit mal wieder einen kleinen Waschtag einzulegen. Von Vorteil erweist sich die Schleuder, die sie nun haben, So wird der größte Teil der Wäsche unter dem Dach des Balkons noch bis zum Abend trocken. Natürlich hilft der Wind auch etwas mit. Die Spende für die Übernachtung fällt heute etwas größer aus, denn die Betreuer machen auch noch ein Frühstück bereit, da kann jeder daran teilnehmen. Das ist soviel ich weiß, eine einmalige Sache, das gibt es nur hier. Auf der anderen Seite der Kirche ist das Restaurant, wo ich am Abend hingehe. Im großen Schankraum ist eine Menge Betrieb. Es laufen zwei Fernseher, in denen gerade ein Fußballspiel der spanischen Liga übertragen wird. Die meisten Gäste sind hier Einheimische. Gegenüber dem Vorjahr hat sich das Lokal entwickelt, in den rückwärtigen Räumen hat man einen Speisesaal eingerichtet. Das Pilgermenü bestand wie immer aus zwei Tellern. Zunächst gab es einen Gemüseteller, dann Kartoffeln und Fleisch. Der Nachtisch war eine Orange, nicht ganz frisch. Dazu natürlich wieder Rotwein. Es hat 1.150 PS. gekostet. Heute bin ich 92 Km gefahren, in 6,53 Std., Durchschnitt = 13,3 Km/h. Gesamtstrecke bisher 2.296 Km.

25. Tag, Montag, 10. Mai 1999

Rabanal - O'Cebreiro

Ich habe es schon gestern erwähnt, dass die Herberge der englischen St.Jakobsgesellschaft eine der bestgeführten auf dem ganzen Weg ist. Für das Frühstück, das die Betreuer bereithalten, wird natürlich eine besondere freiw. Spende erwartet. Doch wer gibt das nicht gerne bei dem Service. Nun, das Frühstück ist für die Verhältnisse sehr ordentlich, ich würde sagen, wie zu Hause. Also das Getränk, Kaffee, Tee o.ä. kann man sich wählen. Brot in kräftigen Scheiben, Margarine und verschiedene Marmeladen stehen auf dem Tisch. Es kann jeder nach Herzenslust essen. Neben mir an einem der großen runden Tische saß ein Ehepaar, Fußpilger aus Augsburg. Da ich im Herbst 1998 auf meiner Fahrt nach Füssen auch durch Augsburg gekommen bin, gab es natürlich genügend Gesprächsstoff. Vor allem über den Jakobskult, der dort stark verbreitet ist (Jakobskirche, Jakobsbrunnen, ein Hospiz u.dgl.). Sie sind eigentlich keine Deutsche, denn sie stammen aus Portugal, leben aber schon 30 Jahre hier. Dann rüste ich zur Fahrt zum Cruz de Hierro (Eisenkreuz). Dort ist mit 1.505 Metern ü.d.M. fast der höchste Punkt des gesamten Pilgerweges, ausgenommen den Somportpass in den Pyrenäen. In diesem Jahr merke ich besonders, wie beschwerlich der Aufstieg dorthin ist. Im Vorjahr war ja Werner dabei und zu zweit fährt sich am Berg eben wesentlich leichter. Für diejenigen, die es noch nicht kennen, erkläre ich nochmals, was es mit dem Kreuz für eine Bewandtnis hat: Viele Pilger bringen entweder von zu Hause oder unterwegs Steine mit und schichten sie hier zu einem Haufen auf, der im Laufe der Zeit eine ansehnliche Höhe erreicht hat. Darauf ist auf einem naturbelassenen Baumstamm ein einfaches Eisenkreuz errichtet. Welchen Ursprung das Ganze hat, ist nicht bekannt. Ich persönlich sehe es so, daß die Steine die Anliegen der Pilger verdeutlichen sollen. Es ist ja nun nicht mehr weit bis Santiago und so legen sie diese eben an dem Kreuz ab. Meine persönlichen Steine hatte ich ja in einem Bachbett bei Java aufgelesen und die Namen der Enkelkinder daraufgeschrieben. Irgendwie waren auf einmal auch die Augsburger wieder da. Wir plauderten noch eine Weile und machten uns gegenseitig Fotos. Als dann einige von den spanischen Radfahrern ankamen, meinte die Frau: "Da kommt ja ihr Fanclub". "Wie bitte?", fragte ich zurück. Sie sagte: "Das sind doch ihre Bewunderer, die haben doch in der Herberge am Tisch neben uns gefrühstückt. Als Sie weg waren, wollten sie näheres über Sie wissen, von wo Sie kommen, wie alt Sie seien, wieviel Kilometer Sie nun schon gefahren seien usw. Sie sagten zu uns, wenn wir z.B. an einem Berg fahren, dann kommt er schon mal von hinten und fährt locker vor uns hoch". Ich meinte dass das wohl etwas übertrieben sei, doch wenn sie in mir ein Vorbild sehen würden, was ältere Leute noch leisten können, sollte es mir schon recht sein. Und ehrlich gesagt, etwas stolz war ich innerlich schon. Nach dem Eisenkreuz beginnt bald die Abfahrt nach Ponferada. Das sind zunächst etwa 15 Kilometer auf steilem Gefälle. Noch im oberen Teil hat ein Aussteiger oder ähnliches in einer alten Hütte eine Art Refugio eingerichtet. Wenn Pilger näherkommen, läutet ein Helfer heftig mit der Glocke, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich dachte, diesmal machst du hier kurze Rast. Ich trank eine Tasse Kaffee. Eine Bezahlung lehnten die beiden ab, doch gegen eine freiwillige Spende hatten sie nichts einzuwenden. Den Berg hinab packte ich mich wieder gut ein, es war ohnehin nicht sehr warm. Ein paarmal wurde mir Angst und bange, als Radfahrer im Höllentempo an mir vorbeirasten. Das mache ich nicht mit. Ich fahre immer bremsbereit und lasse keine hohen Geschwindigkeiten aufkommen. Dabei gönne ich mir viel lieber die Zeit, um die Wildblumen und blühenden Sträucher zu bewundern, die ganze Hänge bedeckten. Nun komme ich auch nach Acebo. Hier ist die Bar von Jose, für den mir Jak aus der Herberge von Los Arcos Grüße mitgegeben hatte. Da mache ich Halt und richte sie aus. Zwei mir bekannte Radfahrer, der große mit dem Wuschelkopf, sind auch schon da. Jose, so möchte er gerne genannt werden, hat sich gefreut und pries mir seine selbstgemachte Paella an. Ich bestellte mir eine Portion, wozu Jose noch einen Obstschnaps aus eigener Produktion zum Besten gab. Zum Abschluß trank ich noch einen Kaffee.

image054.jpg (33096 Byte)

Acebo - Bar des Jose

Am Ende der Gefällstrecke liegt Molinseca mit einer historischen Brücke über einen Gebirgsfluss. Dort konnte ich auch meine Lebensmittel- und Getränkevorräte ergänzen. Ponferada, wo ich anschließend hinkam, ist eine größere Stadt mit Universität und pulsierendem Verkehr. Da hielt es mich nicht lange bis ich weiterfuhr. In Cacabelos bin ich bei 486 Meter ü.NN., das heißt, vom Eisenkreuz bis hierhin sind es mehr als tausend Meter Höhenunterschied. Aber fast die gleiche Höhe muss ich heute nochmals hoch. Doch zunächst mache ich in Villafranca nochmals Pause. Dort habe ich in einer Bar im letzten Jahr ein feines Stück Käsekuchen bekommen. Und genau da fahre ich wieder hin. Aber diesmal ist eine Torte im Angebot. Macht nichts, die hat auch gut geschmeckt. Und nun kommt der happige Aufstieg nach O'Cebreiro. Ich hatte mir vorgenommen, diesmals über die alte N VI zu fahren. Aber man kann sich drehen und wenden wie man will, steil aufwärts geht's auf jeder der drei Variationsmöglichkeiten. Auf den letzten acht Kilometern sind immerhin 600 Höhenmeter zu überwinden. Bei einer kurzen Rast, fahren Spanier zu mir auf. Aber sie nehmen einen anderen Weg. Ich schleiche allein bergauf. Zwei weitere Radler fahren an mir vorbei und ziehen weg. Die Steigung will einfach nicht enden, das letzte Stück wird am schwersten. Ziemlich fertig komme ich oben an. O'Cebreiro ist nur ein winziger Ort, der im wesentlichen von den Pilgern lebt. Gleich am Anfang steht die kleine berühmte Kirche, deren Besuch im letzten Jahr etwas zu knapp geraten war. So fuhr ich also gleich auf das Kirchlein zu. Als ich wieder herauskam, standen zwei Männer an meinem Rad. Der eine hatte mindesten zwei Fotoapparate anhängen, der andere war der Sprecher. Sie wollten Fotos mit einem Interview mit einem Jakobspilger für eine Zeitung machen. Zunächst lehnte ich ab, doch schließlich gab ich ihrem Drängen nach. Es ging im wesentlichen wieder darum, wo ich herkomme, Alter und die Anzahl der bereits gefahrenen Kilometer u. dgl. Ich fragte sie, ob ich einen Abruck des Artikels haben könne und bot ihnen einen Geldbetrag für ihre Unkosten an. Von dem Geld wollten sie jedoch nichts wissen und meinten, sie würden es mir gerne zuschicken und notierten meine Adresse. Doch bis heute (Dez 99) habe ich nichts von ihnen gehört. Die Herberge in O'Cebreiro hatte im letzten Jahr einen höchst negativen Eindruck bei mir hinterlassen. Um so erstaunter war ich, als ich hier diesmal wirklich gute Verhältnisse vorfand. Es waren zwei Aufsichtspersonen da, alles war schön sauber, auch in der Küche war Geschirr u.s.w. Nicht unerwähnt möchte ich auch die schöne Aussicht auf die weite Gebirgslandschaft lassen. Diese gehört nunmehr zur Provinz Lugo, in die ich seit ein paar Kilometern aus der Provinz Leon übergewechselt bin. Zum Abendessen gehe ich wieder in das Restaurant an der Kirche. Der Speiseraum war sehr gut besetzt. An einem großen Tisch saß mein "Fanclub" wie ich die Clique der spanischen Radfahrer ja nun nennen muß. Es waren etwa neun Personen, die mich laut mit "Hallo Hugo" begrüßten. Zum Essen war für mich an einem Tisch nebenan noch ein Platz frei. Da saß ebenfalls ein Radler, einer, der mich am Berg überholt hatte. Er war schon soweit fertig, aber die Zeit, die er noch da war, kamen wir gut miteinander zurecht. Allerdings ohne das Bemalen der Tischdecke ging's auch diesmal nicht. Inzwischen mussten die Spanier, die schon mit dem Essen fertig waren, in den Schankraum ausweichen, um noch ankommenden Essensgästen Platz zu machen. Das Essen bestand aus Suppe, Steak, Pommes, Pudding und Rotwein, für diesmal 1.000 Pts. Danach ging auch ich raus zu meinen Freunden, die mich wieder herzlich begrüßten und in ihrer Mitte aufnahmen. Das gab noch einen eindrucksvollen Ausklang des Tages. Ansonsten war dieser Tag einer der schwersten der gesamten Fahrt gewesen. Ich war regelrecht geschlaucht. Die heutige Tagesleistung konnte sich auch noch sehen lassen. Es waren immerhin 97,67 Km gewesen, die Fahrzeit betrug 8,31 Std. Durchschnitt = 11,46 Km/h. Gesamtkilometer = 2.392 Noch etwa 170 Km bis Santiago.

 

26. Tag, Dienstag, 11. Mai 1999

O'Cebreiro - Pallas de Rei

image056.jpg (19269 Byte)

O'Cebreiro

Die Küche der Herberge ist im Gegensatz zum vorigen Jahr wieder mir Geschirr bestückt, so dass die Zubereitung des Kaffees keine Schwierigkeiten bereitet. Und gerade dies hatte mich bei den Vorbereitungen zur Fahrt bewogen, einen Alu-Becher mitzunehmen, so war ich für einen ähnlichen Fall gerüstet. Aber auch Dusche und WC waren in bester Ordnung. Im Duschraum stand z.B. Putzgerät, so dass jeder nach Benutzung alles wieder in Ordnung bringen konnte. Ich meine, so gehört sich das auch. Andererseits finde ich, nachdem ich die Zustände aus dem Vorjahr kritisiert habe, sollte ich das positive diesmal auch herausstellen. Als ich gegen 08.10 Uhr abfahre, ist es mal wieder stark bewölkt, trocken und sehr kühl. Noch etwa zehn Kilometer geht es bergauf und -ab, bis zum Alto do Poio, der 1.315 Meter hoch ist. Dann beginnt wieder eine 7% ige Gefällstrecke bis Tricastella, das wiederum auf 650 Meter Höhe liegt. Diese Abfahrt wurde nun sehr gefährlich, weil ein sehr heftiger Wind aufkam, der einen fast umgeblasen hätte. Hier galt also das Gebot der vorsichtigen Fahrweise wieder mal ganz besonders. In Samos mache ich nach etwa 40 Kilometer erstmals Rast am bekannten Kloster. Der Bruder Pförtner, der sich im letzten Jahr als sehr lustige Person erwiesen hatte, ist heute nicht sehr gesprächig, er hat allerdings sehr starken Besucherandrang. Zu mir sagt er einfach, er könne kein deutsch, obwohl das so nicht stimmte. Er bedrängt mich, dass ich mich beeile, nach mir sperrt er die Pforte ab und macht eine Führung mit den wartenden Besuchern. Etwas enttäuscht ziehe ich ab und mache in der nahen Bar meine Pause mit Kaffee und zwei Magdalenas. Über Sarria fahre ich dann nach Portomarin zum Stausee. Die Stadt befand sich früher im Bereich des jetzigen Stausees, auch die Kirche. Die wurde Stein für Stein abgetragen und wieder neu an ihrem jetzigen Standort aufgebaut. In der Nähe der Kirche befindet sich auch die neue Herberge. Ich hatte mir die Zeit genommen und war den Berg hinauf in die neue Stadt gefahren und mich ein wenig umgeschaut. An dieser Stelle möchte ich mal meine Beobachtungen über das Verhalten einzelner Pilger, insbesondere über den Gepäcktransport berichten. Je näher es auf Santiago zuging, um so mehr war das zu beobachten. In Nähe der Herbergen halten sich Taxi auf, die das Gepäck der Pilger schon mal einladen und bis zur nächsten Herberge bringen. Dort belegen sie dann gleich die Betten mit den Rucksäcken. Eine Erklärung dafür, dass ich so gut wie nie ein Bett auf der unteren Ebene bekommen konnte. Nun, ich habe persönlich schon Verständnis für den Gepäcktransfer, denn die Pilger haben nun schon fast 700 Km hinter sich gebracht und sind oft an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Wenn vereinzelt sich auch mal einer ein Stück des Weges mitnehmen lässt, so ist das wohl weiter auch nicht schlimm. Es gibt ja auch verschiedene Radpilger, die sich ihr Gepäck befördern lassen. So haben z.B. vier meines 'Fanclubs' ein landroverähnliches Fahrzeug dabei, mit dem eine Frau die erforderlichen Fahrten durchführt. Sie macht jedesmal auf sich aufmerksam, wenn sie vorbeifährt. Nun ehrlich, manchmal habe ich mir auch einen solchen Service gewünscht. Also, in Portomarin mache ich wieder eine kurze Pause. Danach gibt es wieder einen kräftigen Anstieg. Hier treffe ich zwei weibliche Fußpilger, die die Orientierung verloren haben. Ich zeige ihnen an Hand meines Führers den Weg bis zur Keramikfabrik, wo sie auf den Fußweg kommen. Ab der Kreuzung Hospital de la Cruz fahre ich auf einer kleinen Straße in Richtung Palas de Rei. Das ist insgesamt nicht so leicht, da gibt es ein paar wenn auch kurze, aber ganz giftige Anstiege. In Ligonde ruft mir ein Mann zu, der dort vor der Herberge auf einer Bank sitzt.

image058.jpg (24448 Byte)

Hier mussten wir uns im letzten Jahr vor einem Gewitter unterstellen und lernten auch die Verwalterin der Herberge kennen. Der Mann, ein Fußpilger, ist schon seit Februar von Holland aus unterwegs. Er wollte unbedingt, dass ich hierbleibe, solle mir aber mindestens den Stempel holen. Nun, das habe ich bisher ja nur in Ausnahmefällen gemacht, aber auf meinem Ausweis ist  noch etwas Platz, so dass ich das auch tue. Die Verwalterin aus dem Vorjahr ist wieder da. Sie hat mich natürlich nicht erkannt. Erst als ich sie nach ihrer zwölfjährigen Tochter Martha frage, wird sie stutzig. Mit dem vorjährigen Taschenbuch kann ich auch diesmal für Aufklärung sorgen. Jetzt erkennt sie die Zusammenhänge, und auch sie fragt nach meinem 'Amigo'. Sie hat sich echt gefreut. Auf dem weiteren Weg komme ich an eine Kreuzung, wo das Begleitfahrzeug meiner Freunde wartet. Ich steige kurz ab und unterhalte mich mit der Frau. Zwei weitere Radler (der mit dem Lockenkopf) rasten ebenfalls dort. Aber ich fahre alsbald weiter. In Palas de Rei gab's dann eine besondere Überraschung. Von vorn: Da muß ich schon wieder auf das letzte Jahr zurückgreifen. Da hatte ich der Dame an der Aufnahme der Herberge ein Foto gemacht, das ich nun im Gepäck dabei hatte. Als ich dort ankam, sagte sie mir, dass die Herberge voll belegt sei. Zur Untermauerung ihrer Worte zeigte sie mir die über zwei DIN A4 Seiten umfassenden Anmeldungen für diesen Tag in ihrem Buch. Zwei jüngere spanische Radfahrer wurden auf die gleiche Weise behandelt. Ich dachte, jetzt gilt's oder nie. Während sie noch mit den Spanier redete, lief ich schnell zu meinem Rad, um das Foto zu holen. Das legte ich ihr dann verdeckt auf ihr Buch. Als sie es umdrehte, musste sie laut lachen und zeigte es einigen Spaniern, die sich bei ihr im Vorraum der Herberge offensichtlich die Zeit vertrieben. Dann verschwand sie in einer Tür. Als sie zurückkam, winkte sie mich zu sich und führte mich in einen Raum mit vier Betten. Da konnte ich mir eines aussuchen. Das waren Betten, die notfalls für Behinderte vorgehalten wurden. Ich mimte eine Verletzung am rechten Knie und meinte, das würde ja bei mir zutreffen. Zu bemerken wäre, dass ich an diesem Tage der einzige Radfahrer in der Herberge war. Alle anderen, die ich ja tags darauf in Santiago getroffen hatte, mussten zumindest bis Melde, das sind noch gut 15 Km, weiterfahren oder haben in einem Hotel übernachtet. Da habe ich riesiges Glück gehabt. Und das wegen eines Fotos. Spende in der Herberge 700 PS. Das Zimmer ist dann am späten Abend mit drei weiteren Fußpilgern voll belegt worden. Am Abend war noch eine Messe in der Kirche, die aber nur von wenigen Pilgern besucht war. Sie hatte auch absolut keinen Bezug auf uns. Das Abendessen war eher mäßig. Es hat auch nur 900 PS gekostet. Die Tagesleistung für heute waren 95 Km in 7,25 Std., das war ein Durchschnitt von 12,86 Km/h. Gesamtkilometer = 2.587

27. Tag, Mittwoch, 12. Mai 1999

Palas de Rei - Santiago

Heute ist voraussichtlich der letzte Tag, an dem ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Wie immer, schon relativ früh reges Treiben in der Herberge. Die Fußpilger haben aber noch zwei bis drei Etappen vor sich. Auch hier kann man das Frühstück in der Herbergsküche gut selbst zubereiten. Als ich gegen acht Uhr abfahren will, kommt gerade die Herbergsmutter zum Dienst. Ich bedanke mich nochmals sehr herzlich für ihr großzügiges Entgegenkommen. Es ist stark bewölkt, aber noch trocken. In Arzua möchte ich die erste Pause machen, doch schon vorher beginnt es zu regnen. Das war zwar unangenehm, aber ich zog meinen Regenumhang über und fuhr weiter. In der Bar neben der Kirche machte ich dann meine Pause, schon etwas nass. Neben mir saßen vier Pilger aus Belgien, mit denen ich mich gut unterhalten konnte. Das Wetter war mir nun vollkommen egal, der Regen war nicht so heftig, aber er hörte auch nicht auf. Ich stellte mich nun mit meiner Kleidung noch besser auf ihn ein. Auch meine Packtaschen hüllte ich entsprechend ein und fuhr weiter. 30 Kilometer hatte ich ja schon, etwa 40 werden es noch sein. Ich fuhr nur noch auf der Landstraße, doch ganz einfach war das nicht. Die Lkw's spritzten regelrechte Wasserfontänen zur Seite, das gab schon Probleme. An meiner Route liegt auch der Flugplatz von Santiago, so dass der Verkehr immer mehr zunahm. Die Straße geht schließlich in eine vierspurige Verkehrsführung über und ist ab diesem Punkt für Radfahrer gesperrt. Aber ich fand nirgends einen Hinweis, wie ich weiterfahren sollte. Zunächst versuchte ich es auf der rechten Seite, aber da entfernte ich mich immer mehr von der Autobahn. So kehrte ich wieder um und fuhr links weiter. Da hatte ich ein besseres Gefühl. Schließlich kam ich an den Pilgerweg, einem Pfad durch den Wald. Trotz der widrigen Umstände fuhr ich ihm nach, immer auf die Geräusche der nahen Autobahn achtend. Schließlich war ich wieder auf einer Teerstraße mit einem entsprechenden Hinweiszeichen. Dann kam ich schon nach San Marcos, einem Vorort von Santiago. Es geht nun noch etwas bergauf zum Monte Gozzo, wo man an der übergroßen Herberge herauskommt. Eigentlich sollte man von hier aus Santiago sehen, aber heute war da nichts drin. So kam auch nicht das unbeschreibliche Gefühl vom Vorjahr auf, aber dennoch war ich sehr glücklich. Gegen 14.30 Uhr bin ich dann an der Information des großen Pilgerzentrums. Hier ist Platz für etwa 800 Pilger, ein Ort für sich mit Dienstleistungsbetrieben, Restaurants, Geschäften u.s.w. Hier wird mir auch zum letztenmal ein Stempel in den Pilgerausweis gedrückt. Übernachten wollte ich hier ja nicht, das war mir zuweit vom Zentrum weg. In der Stadt ist ja noch eine Herberge, das Seminario Menor. Da fuhr ich hin und buchte für drei Tage. Eine Übernachtung kostet da 400 Pts. Allerdings ist der Weg über drei Stockwerke mit dem Gepäck etwas beschwerlich. Dafür aber ist der Weg bis in die Stadt nicht weit. In zwei Sälen sind die Pilger in Einzelbetten unterge-bracht. Sie sind noch lange nicht alle belegt. In der Nähe höre ich jemand deutsch sprechen. Es sind zwei ebenfalls ältere Männer aus dem Rheinland, Gerd und Dieter mit Namen. Dieter wohnt schon längere Zeit in Spanien und machte mit seinem Bruder ein Teilstück des Weges. Ich sehe zu, dass ich schnell meine nasse Sachen vom Leib kriege und nehme eine Dusche. Dann mache ich mich fertig und gehe zuerst zu Pilgerbüro um meine Urkunde, die Compostela abzuholen.

image060.jpg (25886 Byte)

Kathedrale in Santiago

Meine Überlegungen, dass heute eine Vorabendmesse zu Christi Himmelfahrt sein könnte, ging voll auf. Doch zuerst besichtigeimage062.jpg (29218 Byte) ich in der Kathedrale die Krypta mit dem silbernen Schrein der Gebeine des hl. Jakobus. Danach reihe ich mich in die Schlange der Pilger ein, die hinter dem Hochaltar an der Jakobsstatue vorbeigehen. Ich dachte mir auch, dass heute vielleicht das große Rauchfass, das Butafumero, geschwenkt werde. Es war nämlich noch ein weiterer Feiertag zu Ehren der Muttergottes von Fatima. Aus diesem Anlass hatte man ihre Statue, die normalerweise an einem Seitenaltar steht, in Nähe des Hochaltars aufgestellt und festlich geschmückt. Ich wollte mir natürlich wie im Vorjahr einen Platz in Altarnähe suchen, um ggfls. gut fotografieren zu können. Doch da war alles schon besetzt, die Leute standen dichtgedrängt in der Kirche. So musste ich mich einfach dazwischenstellen. Auf einmal sah ich in der ersten Bank des Querschiffes einige von meinen spanischen Radfahrfreunden. Der große mit dem Lockenkopf war auch dabei und hatte mich ebenfalls gesehen. Er winkte mich herbei und sie rückten noch zusammen. So kam ich noch zu einem Superplatz. Danke Amigos! Es war eine feierliche Messe, die stark geprägt war durch den Gesang einer Nonne, die auch den Lektorendienst versah. Es war wunderbar, ihre klare Stimme mit einem sehr melodischen Vortrag. Ich habe einen kleinen Teil mit meinem Diktiergerät aufgenommen. Und dann zum Schluss, der Höhepunkt fürs Auge. Eigentlich hatte ich auch hiermit gerechnet, das große Rauchfass wurde von zwei Kirchendienern hereinge-bracht und an dem 17 Meter langen Tau befestigt. Danach wurde es mit einem atem-beraubenden Tempo durch die beiden Quer-schiffe bis zur Decke geschwenkt. Das war auch ein großes Erlebnis. Nach der Messe machte ich mit den Spaniern noch Erinnerungsfotos vor der Kathedrale. Wir verabschiedeten uns an-schließend, denn die ersten fuhren schon am nächsten Morgen nach Hause. Ich hatte unheimlich viel Freude über die Erlebnisse mit den Jungs. Stark beeindruckt begab ich mich dann zum Abendessen in ein Lokal in Nähe der Kathedrale. Es gab als ersten Teller einen galizischen Eintopf mit dicken Bohnen, Grünkohl und Kartoffeln. Der zweite Teller waren Pommes und Steak (hatte ich ja schon öfters), dazu Pudding. An Stelle des obligatorischen Weines trank ich ein großes Bier, dem ich noch ein weiteres folgen ließ. Dann machte ich mich auf den Weg zur Herberge. Heute bin ich noch 72 Km gefahren in 5,32 Stunden. Der Durchschnitt betrug 13 Km/h. Die Gesamtstrecke für die Fahrt mit dem Fahrrad errechnet sich wiefolgt:
Tachostand bei der Ankunft in Santiago = 23.789
"   "         "              Abfahrt in Alsweiler = - 21.219
zusammen also                                       = 2.570 Km

 

image064.jpg (33046 Byte)

Santiago Spanische Radpilger

 

28. Tag, Donnerstag, 13. Mai 1999, -Christi Himmelfahrt-

Santiago

image066.jpg (38834 Byte)Das Wetter ist mies, Nieselregen kommt her-unter. Zuerst gehe ich zum Bahnhof, um die Rückfahrt zu buchen. In der Gaststätte ist auch Gele-genheit zum Frühstück, Croissant und Kaffee con leche. Der anschließende Gang durch die Stadt endet wieder an der Kathedrale. Ich habe es schon am Anfang des Berichtes er-wähnt, dass in diesem Jahr in Santiago ein sogen. Heiliges Jahr gefeiert wird. Daher auch der starke An-drang. Und gerade an der Kathedrale wimmelt es am heutigen Feiertag nur so von Pilgern. Was beson-ders auffällt, sind die vie-len Jugendgruppen. Die Kathedrale - Jakobusstatue über der Hl. Pforte meisten Pilger treten wenig-stens einmal durch die Heilige Pforte in die Kathedrale ein.Diese Tür ist wie ihr Vorbild im Petersdom in Rom nur im Heiligen Jahr geöffnet. Auch im übrigen Stadtbereich sind aus diesem Anlass eine Menge Veranstaltungen. An markanten Punkten haben sich Musikgruppen etabliert, andere ziehen durch die Straßen, Mimen stehen da in interessanten Posen. Ich sehe mich wieder in der Kathedrale um, habe auch noch ein paar Kerzen anzuzünden. Um 12.00 Uhr ist dann die feierliche Pilgermesse, wieder mal ein besonderes Erlebnis. Sie wird gehalten von einem oder dem Bischof, der von vielen Geistlichen umgeben ist. Zum Abschluss wird wieder das große Weihrauchfass hereingebracht und geschwenkt. Danach verhilft mir ein glücklicher Umstand, dass ich dies auf seinem Abstellplatz in der Sakristei allein fotografieren darf. Ein Ordner hatte nämlich mein enttäuschtes Gesicht bemerkt, dass mir beim Fotografieren in der Kirche eine Jugendgruppe vor den Apparat gelaufen war, als das Rauchfass an meinem Standort vorbeigetragen wurde. Er meinte, ich könne das Versäumte ruhig in der Sakristei nachholen. Am Ausgang begrüßt der Bischof die Pilger einzeln. Ich gehe auch hin und sage wo ich her komme. Danach gehe ich wieder zur Herberge, esse eine Kleinigkeit und beginne mit dem Verpacken meines Fahrrades, Das kann ich nämlich nur so im Zug mitnehmen, ebenso auch in Frankreich. Bei uns gibt es da wesentlich bessere Möglichkeiten. Das Rad muss ich also in seine Einzelteile, Vorderrad, Hinterrad, Sattel, Lenker, Schutzbleche, Pedalen, Gepäckträger u.s.w. zerlegen und mit eine Nylonplane zu einem Paket zusammenschnüren. Das gilt dann als Handgepäck und passt gerade noch in die Gepäckablage im Zug. Das gleiche haben wir schon mit Erfolg im Vorjahr praktiziert. Am Nachmittag gehe ich zum Busbahnhof, um die Möglichkeit einer Fahrt nach Finisterre zu erkunden. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Um 8.00 Uhr fährt der Bus ab. In der Cafeteria des Busbahnhofs trinke ich Kaffe und esse ein Stückchen. Danach ziehe ich wieder zur Besichtigung durch die Stadt mit dem Mittelpunkt Kathedrale und Umgebung. Auf dem Rückweg zur Herberge kehre ich am Abend nochmals in einem Restaurant zum Essen ein. In der Herberge erzählen mir Gerd und Dieter, dass auch sie am nächsten Tag nach Finisterre fahren werden. Wir verabreden zunächst mal, dass wir zusammen mit dem Taxi zum Busbahnhof fahren.

29. Tag, Freitag, 14. Mai 1999

Finisterre

Um 6.50 Uhr fahren Gerd, Dieter und ich mit dem Taxi zum Busbahnhof. Wir sind zeitig dran, so dass wir noch gut frühstücken können. Die beiden erzählen hierbei etwas mehr über sich. Dieter lebt seit längerer Zeit in Spanien und war auch hier beruflich tätig. Die Sprache des Landes ist ihm daher sehr geläufig, allein schon deshalb war mir seine Begleitung sehr von Vorteil. Gerd hat ihn in diesem Jahr aufgesucht und beide sind einen Teil des Jakobsweges gepilgert. Sie sind 67 und 64 Jahre alt und stammen aus dem Rheinland. Gegen 10.30 Uhr kommen wir in Finisterre an. Ich habe mal die Kilometer der Busfahrt mitgerechnet und bin auf 108 bis 110 gekommen. Ich sage das deshalb, weil wir im Vorjahr mit bedeutend weniger gerechnet hatten.

image068.jpg (24802 Byte)

Finistere

Finisterre galt bis zur Entdeckung von Amerika als der westlichste Teil des bis dahin bekannten Festlandes, war sozusagen das Ende der Welt. Vom Hafen bis zum Leuchtturm auf der Landzunge habe ich noch ein gutes Stück zu Fuß zu gehen. Ich wollte wieder mit dem Bus um 12.30 Uhr zurückfahren, während Gerd und Dieter erst um 16.00 Uhr fuhren. Mit diesem Bus hatten sie dann in Santiago direkt Anschluss zum Wohnort von Dieter. So ging ich dann zügig über die Straße am Meer vorbei zum Leuchtturm. Das ist zwar nichts besonderes, aber dennoch schön zu wissen, um was es geht. Auf dem Rückweg begegnen mir die beiden nochmals und wir verabschieden uns. Mit dem Bus in Richtung Santiago muß ich in irgendeinem Ort umsteigen. Dabei habe ich Gelegenheit, in einer Bar meine Mittagspause nachzuholen. Es wird 16.00 Uhr bis ich in Santiago bin. Das war an sich ein schöner Tag, zumal das Wetter viel besser als gestern war. Der Rest des Tages war ausgefüllt mit weiteren Vorbereitungen für die morgige Rückreise, Taschen packen, noch ein paar Souvenirs kaufen, Reise-Proviant besorgen. Dann gehe ich noch einmal zur Kathedrale und der Umgebung. Dort nehme ich auch mein Abendessen. Rückkehr zur Herberge und fertig zum Schlafen.

30. und 31. Tag, Samstag/Sonntag, 15./16. Mai 1999

Rückfahrt

Das Wetter ist heute eigentlich unwichtig. Aber erwähnen möchte ich es dennoch, es ist wie so oft in den letzten vier Wochen, nicht besonders gut, stark bewölkt und trübe, Nieselregen. Nun ich brauche als erstes ein Taxi zum Bahnhof. Die Nummer der Zentrale habe ich mir schon gestern besorgt. Ich dachte, jetzt hast du schon so viel allein bewegt, nun wirst du dir auch ein Taxi bestellen können. Und in der Tat, das hat gut geklappt. In wenigen Minuten war ein Fahrzeug da und brachte mich zum Bahnhof. Ich hatte noch viel Zeit, um ausgiebig zu frühstücken, heute zwei Tassen Kaffee und ein Stückchen und ein Croissant. Der Zug war pünktlich, das Einsteigen und Unterbringen des Paketes mit dem Rad verlief ohne Probleme. Es sind noch mehr Pilger im Zug. Zwei Franzosen war ich schon mal vor Santiago begegnet. Die Fahrt führt zunächst durch die galizische Landschaft, die oft etwas karg ist, die Berge mit niederem Bewuchs. Später ändert sich das, dann sieht man auch richtige bewaldete Flächen, meistens Eukalyptusbäume mit schlanken hohen Stämmen. Ein paar mal führt die Strecke durch Städte und Gegenden, die auch vom Pilgerweg berührt werden, z.B. Ponferada, Leon, Sahagun, Martias, Burgos u. dgl. Man freut sich dann wenn man weiß, dort irgendwo bin ich vor ein paar Tagen vorbeigekommen. Während der Fahrt schlafe ich öfters mal ein, dann lese ich, esse auch mal was, oder schaue mir einfach nur die Landschaft an. Am Nachmittag ist zeitweise sehr schönes Wetter. Bis zur französischen Grenze hat der Zug mehr als 11 Stunde Fahrzeit. Es wird 20.30 Uhr, bis wir in Hendaye ankommen. Hier muss ich umsteigen und habe mehr als zwei Stunden Aufenthalt. Der Transport meines Gepäcks ist schon etwas umständlich und schwierig, da ich durch die Unterführung eine hohe Treppe runter und wieder rauf muß. Im Bahnhofsrestaurant ist Gelegenheit, etwas zu essen und zu trinken. Danach schaffe ich meine Bagage wieder zum bereitstehenden Zug. Hier suche ich mir meinen reservierten Sitzplatz. Bis Paris gibt es da schon Möglichkeiten, etwas während der Nacht zu schlafen. Doch einmal gibt es Ärger mit den Platzkarteninhabern, die erst unterwegs zusteigen und denen, die deren Plätze einfach belegt haben und nicht mehr weichen wollen. Gegen 7.30 Uhr sind wir in Paris-Austerlitz. In diesem Jahr möchte ich nicht mit der Metro nach Paris-Est fahren, da ich im Vorjahr an der Sperre Probleme mit dem Gepäck hatte und in der Schleuse stecken-geblieben war. Deshalb begab ich mich zum Stand der Taxi und fragte nach dem Tarif. Nun bin ich mir nicht sicher, ob mein Ansprechpartner mir übers Ohr hauen wollte, oder ob die Fahrt tatsächlich 300 Fr, das sind immerhin 100 DM, kostet. Auf jeden Fall war mir das zuviel. So fuhr ich mit dem Gepäckwagen doch zur Metro. Ich sah mir den Betrieb eine Weile an und entschloss mich mitzufahren. Ich hatte nämlich eine Schleuse entdeckt, die extra für Reisende mit sperrigem Gepäck vorgesehen war. Nun, so ganz einfach war es auch hier nicht, aber ich kam durch. Und was den Fahrpreis anbetrifft, der betrug noch keine 10 Fr. In Paris-Est war dann ausreichende Gelegenheit zum Frühstück auf dem Querbahnsteig. Die Abfahrtsbahnsteige für die Züge sind hier nicht nach einem Plan festgelegt, sondern werden zur gegebenen Zeit an den großen elek-tronischen Anzeigetafeln bekanntgegeben. So stehen dann die Reisen-den vor diesen und warten bis ihr Zug angezeigt wird. Dann beginnt das große Rennen um die Plätze. Mir erging es natürlich nicht anders. Bis Saarbrücken hatte ich keine Reservierung. Als ich einen Waggon gefunden hatte, wo ich einsteigen wollte, mußte ich den Gepäckwagen kurzfristig auf dem Bahnsteig zurücklassen, um die Taschen und das große Paket unterzubringen. Danach wollte ich das Wägelchen zurückstellen und meine 10 Fr. Pfand wieder entnehmen. Doch diese Arbeit hatte offensichtlich schon jemand anderes erledigt, d. h. also, er hat mir mein Geld regelrecht geklaut. Währen der Fahrt nach Saarbrücken setzte sich ein junger Mann aus Mannheim zu mir und leistete mir Gesellschaft. Er war für ein paar Tage bei Bekannten in Paris gewesen, so verging die Zeit schnell. Um 12.50 Uhr waren wir in Saarbrücken. Thomas, Mechthild und Kevin erwarteten mich am Bahnsteig. Damit war das Kapitel SANTIAGO II 1999 praktisch abgeschlossen. Diese Fahrt war für mich erneut ein großes Erlebnis. Zwar gibt es einige Punkte und Situationen, die hätten besser ablaufen können, aber auf der anderen Seite wurde ich durch viele positive Ereignisse mehr als entschädigt. Ich bin vor allem vielen gleichgesinnten, toleranten Menschen begegnet, was ich sehr hoch einschätze. Auch habe ich sonst viel erlebt und gesehen. Gott sei Dank bin ich vor einem Unfall oder Krankheit verschont geblieben. Lediglich das Wetter hätte manchmal etwas besser sein können, vor allem ein paar Grad wärmer. Mein Wunsch für die Zukunft, so was noch öfters erleben zu dürfen.

image070.jpg (27912 Byte)

Ankunft in Saarbrücken